Psychisch krank. Sozial kränker.

Die Migrationsdebatte wird von Debatten um grausame Gewalttaten einzelner bestimmt – mit dabei immer eine kleine Formulierung: „psychisch krank“. Wieso redet da niemand drüber und fordert das Offensichtliche: eine bessere medizinische Behandlung für alle Menschen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe?

Es gibt da dieses unwürdige und grausame Spiel, das wir seit einigen Jahren spielen, es geht ungefähr so:

– etwas Schreckliches passiert, zuletzt in Aschaffenburg, der Täter ist nicht weiß
A: Der muss weg. Wieso war der noch nicht weg?
B: Rassismus, Humanismus, psychisch krank.
A: Psychisch krank… Der muss weg, die sind verrückt, Melderegister, Abschiebung…
B: 100 juristische und praktische Gründe + trotzdem noch ein paar Zugeständnisse…
Alle: Meinung, Meinung, viel Geschrei und Brutalität


Ich kann mir das nicht mehr anhören. Und es gibt sehr viele Ansatzpunkte, an denen dieser Ablauf zu kritisieren ist, und das wird glücklicherweise auch immer wieder getan, auch wenn die Verbesserungen leider überschaubar sind. Nur zu einer Stelle wird leider wenig gesprochen: Wie kann es sein, dass im Jahr 2025 die Zauberformel „psychisch krank“ immer noch bereitwillig als Erklärung für jedwedes Verhalten akzeptiert wird – von Täter_innen wie von Gesellschaft?

Die Zauberformel: psychisch krank.

Die allermeisten Menschen mit psychischen Erkrankungen, so meine These, wollen natürlich nicht mit derartigen Taten in einen Topf geworfen werden – wer will das schon. Dass sie sowieso schon täglich mit Stigmatisierung zu tun haben, dürfte diesen Effekt nur bestärken. Und dann… Sind die Schicksale dieser Täter_innen natürlich auch einfach sehr sehr traurig. Aus Gründen müssen Patient_innen mit psychischen Erkrankungen oft auch den Fokus bei sich behalten.

Und doch… Zufällig weiß ich ein, zwei Dinge über psychische Erkrankungen, zufällig kenne ich viele psychisch Erkrankte, zufällig, weil ich selbst eine bin. Zufällig sind diese Krankheiten zumindest teilweise nämlich sehr normal und sehr weit verbreitet. Auch wir sind alle Menschen und sehr unterschiedlich, und auch die einzelnen Krankheitsbilder unterscheiden sich natürlich. Aber die allermeisten, das weiß ich, haben Angst. Schämen sich. Stehen unter massivem Druck. Auch in manischen oder psychotischen Phasen schaden sie zuallererst: Sich selbst. Stürzen irgendwann ab und finden sich finanziell ruiniert und sozial isoliert auf irgendeiner Station wieder. Ganz sicher sind sie weitaus stärker gefährdet, selbst Opfer von Gewalt zu werden, als anderen etwas anzutun (siehe offenen Brief weiter unten). Mediziner_innen könnten dazu sicher noch weit mehr schreiben.

Bessere medizinische Behandlung für Asylbewerber_innen


Und das würde ich mir auch wünschen, denn irgendwie ist das Internet hier relativ leer. Es gibt einen unterschreibenswerten Brief gegen Carsten Linnemanns schamlose Idee eines Melderegisters für psychisch Kranke. Aber die meisten Interessenverbände oder Aktivisten/Prominenten unterscheiden hier wohl: Zwischen den psychischen Krankheiten der einen und der anderen, der Menschen mit und ohne Staatsbürgerschaft? Hautfarbe? Was eigentlich? Scheinbar nehmen sie das Thema vielleicht einfach nicht wahr. Wo sich jemand äußert, ist die Ansage deutlich, etwa fordert das Ärzteblatt eine deutlich bessere medizinische Behandlung für psychisch kranke Asylbewerber_innen, und bestens aufbereitete Informationen zu posttraumatischen Belastungsstörungen bei Geflüchteten gibt es bei der BPB bereits seit 2016.

Im Falle des Täters von Aschaffenburg habe ich natürlich keinen Einblick und auch keine Kompetenz, um seine Krankengeschichte zu verstehen. Wenn ich aber lese, dass er aus Afghanistan geflüchtet ist, dass er dann trotz allem auch hier weder Perspektive noch Stabilität gefunden hat und letztlich aufgrund der anstehenden Ausreise unter hohem Druck stand, dann weiß ich wirklich nicht, wie das ein_e Psychiater_in mit ein paar Pillen kurzfristig auffangen sollte. Es fehlt an Dolmetscher_innen für die Behandlung, in den ersten drei Jahren gibt es in der Regel sowieso nur Notfallversorgung – das reicht einfach nicht und verschlimmert wahrscheinlich Probleme, Stichwort Chronifizierung. Die Medien sind voll von rassistisch gefärbten Horrorgeschichten – wie sich dergleichen auf psychisch kranke Täter_innen auswirken kann, ist im Podcast Schwarz Rot Blut (Folge 6) hervorragend erklärt. Unter diesen Bedingungen kann ein Mensch nicht gesund werden. Ganz sicher ist es das krasse Gegenteil von Prävention.

Das Gegenteil von Prävention.


Der Plan ist also: Wir schieben schwer kranke Menschen ab.
In Afghanistan wird der Mann auch nicht vernünftig behandelt werden. Seine Zukunft ist uns egal. Da gibt es nichts zu deuteln.

Ich finde das zutiefst grausam und diese Asylpolitik falsch und auch dumm, um das klar zu sagen. Ein Mensch allein mag psychisch krank sein – eine große Gruppe Menschen, die ihre Probleme nur so „lösen“ kann, ist sozial krank. Das sage ich in dem Wissen, dass beides nicht so einfach heilbar ist, sondern viel Reflexion, Zeit und Zuwendung braucht.

Und natürlich ist es deshalb keine Lösung, da einfach weiterzuwursteln. Schlicht auf der gesundheitlichen Ebene wünsche ich mir aber ganz klar und am liebsten sofort: Mehr Solidarität mit allen psychisch kranken Menschen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Wir sind so viele, und wir kämpfen so sehr: Mit Wartezeiten auf Therapieplätze, mit Diskriminierung und auch schlicht mit der Krankheit selbst. Warum verhalten wir uns nicht solidarisch? Aus Angst, mit Gewalttäter_innen verwechselt zu werden? Auch wir gehören zu dieser Gesellschaft und tragen zu ihr bei. Schluss mit Angst und Scham, sie sind nicht immer gute Ratgeber. Warum äußern wir uns nicht:

Ich bin’s, Solveig, ich lebe seit 18 Jahren mit Depressionen und ich erwarte, dass alle, auch nicht-weiße Menschen mit psychischen Erkrankungen vernünftig behandelt werden. Jetzt ihr. Bittedankegerneweitersagen.

2024 gelesen

Ein frohes neues Jahr wünsche ich euch allen!
Und natürlich starte ich mit meiner absolut ehrlichen Leseliste 2024, mit Kinder- und Erwachsenenliteratur, Schund und Entdeckungen, Bekanntem und Abseitigen. Und weil es so eine Mischung ist, schreibe ich dieses Mal auch dazu, wie ich auf das betreffende Buch gekommen bin.
Was habt ihr gelesen? Und was sollte ich mir 2025 unbedingt ansehen? Wie immer freue ich mich über Tipps!

  1. Matthew Perry: Friends, Lovers and the big terrible thing – Ein Weihnachtsgeschenk, drum auch gleich gelesen. Man kann sich natürlich für Friends und Matthew Perry interessieren, mich hat dann aber vor allem die Geschichte seiner Sucht interessiert. Gedanke: Werden manche Leute gerade deshalb medizinisch schlechter behandelt, weil sie so reich sind?
  2. Michal Hrorecky: Troll – Bücherschrank in Essen-Werden. Ich müsste viel besser über osteuropäische Geschichte bescheid wissen, um hier alles zu verstehen. Die Beschreibungen allerdings sind verstörend und hängen geblieben.
  3. Peter Härtling: Liebste Fenchel! Das Leben der Fanny Hensel-Mendelsohn in Etüden und Intermezzi – Aus irgendeiner Bücherkiste. Ein schlichter Roman über eine Frau, die stets in den Schatten ihres Bruders gestellt wurde – und dennoch viel erreicht hat.
  4. Katja Lewina: Sie hat Bock – Von einer lieben Freundin bekommen. Es geht um Sex und Feminismus und Selbstbestimmung. Alles gute Sachen. Für mich persönlich waren jetzt aber nicht so wahnsinnig neue Erkenntnisse dabei.
  5. Marc-Uwe, Johanna & Luise Kling: Der Spurenfinder – Ein Geschenk. Ein lustiges Fantasy-Buch, darauf musste die Welt lange warten. Mein Sohn hat beim Vorlesen gequietscht vor lachen.
  6. Wolf Küper: 1 Million Minuten – Vom Partner gewonnen. Ja, da gab es ja auch einen Film, und Filme werden im Filmquiz erraten und so fand das Buch in unseren Haushalt… Durchaus interessant, wenn auch ganz anders gewichtet, als in der Verfilmung. Besonders spannend: Als Elternteil den Kindern die Erfahrung gönnen, wie man selbst in einer coolen Sache so richtig versagt. Kann man machen, aber viele können es nicht.
  7. Anne Rabe: Die Möglichkeit von Glück – Buchhandlung. Welche Spuren hinterlässt das Leben in einer (oder zwei) Diktaturen? Was hat die Menschen, die heute unsere Welt gestalten geprägt? Wie spüren wir es in den Beziehungen, Familien? Ein absolut absolut absolut interessantes Buch. Persönlich, konkret und doch mit einem ganz weiten Horizont. Lest es alle.
  8. Tobias Schlegl: Strom – Buchhandlung. Etwas schematisch und unterkomplex, kann man leicht zwischendurch lesen. Zum Beispiel, wenn ein fieberndes Kind auf einem liegt.
  9. Edvard Hoem: Die Hebamme – Buchhandlung. Der Titel klingt heutzutage leider fast schon nach „Die Wanderhure“, tatsächlich ist die „Hebammenkunst“ aber ein Pfeiler, damit Frauenrechte gewahrt und Frauengesundheit gesichert werden kann. Für dieses Wissen läuft die Protagonistin 1000 km weit – und weiß nach ihrer Ausbildung doch immernoch viel zu wenig. Eine undramatische, aber eindrucksvolle Erinnerung an den Wert von Bildung.
  10. Wolfgang Ainetter: Geheimnisse, Lügen und andere Währungen – Geschenk vom lasterhaften Bruder. Der Schlüsselroman eines engen Ex-Mitarbeiters von Andi Scheuer. Einige Anekdoten wundern einen denn auch gar nicht, die Geschichte selbst ist eher grob konstruiert.
  11. Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt – Buchhandlung. Natürlich großartig.
  12. Saša Stanišić: Vor dem Fest – Buchhandlung. Ein hervorragender Erzähler. Brandenburg. Und eine Fähe. Ich mag es sehr.
  13. Danielle Graf, Katja Seide: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten… die Jahre 5-10 – Mitnehmkiste. Tatsächlich ein praktisches, gut erklärtes und recherchiertes Erziehungsbuch. Sollte nicht nur von Müttern gelesen werden.
  14. Andreas Steinhöfel: Dirk und ich – Bestand des Sohns. Einfach sooo lustig. Geschichten aus dem Leben zweier Brüder, die permanent immer noch weiter eskalieren. Eins meiner liebsten Vorlesebücher, immer und immer wieder.
  15. Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und die Tieferschatten – Geschenk einer lieben Freundin. Die ganze Reihe ist einfach hervorragend – für Kinder und Erwachsene. Allein die Charaktere sind dermaßen schön, skurril und wahr – und das Erzählen aus Sicht eines Tiefbegabten erst recht. Plus: Es macht richtig Lust darauf, verwegen durch die Großstadt zu streunen, bzw. den Kindern diesbezüglich mehr Freiheiten zu lassen. Zumindest meins dankt es mir!
  16. Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Herzgebreche
  17. Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
  18. Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Vomhimmelhoch
  19. Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und das Mistverständnis
  20. Deniz Ohde: Streulicht – Buchhandlung. Ein richtig gutes Buch, grobe Tatsachen ganz fein formuliert – über Armut, Bildungsungerechtigkeit, die ominösen „sozialen Unterschiede“. Ich konnte mir jede Szene der Geschichte viel zu genau vorstellen, wahrscheinlich, weil sie überall um uns herum stattfinden. Ein wichtiges Buch für alle, die begreifen und fühlen wollen, warum manche Menschen nie eine Chance bekommen.
  21. Judith Schalansky: Taschenatlas der abgelegenen Inseln – Geschenk. Was klingt, wie ein Buch über Südseeparadiese, liest sich am Ende als Zusammenstellung von Orten übelster kolonialer Verbrechen, Einsamkeit und brutalen Lebensumständen. Ich meine das trotzdem als Empfehlung!
  22. Otfried Preußler: Die Abenteuer des starken Wanja – Bücherschrank auf Usedom. Eine gute Geschichte, ein guter Ezähler, alles etwas bedächtig geschrieben, aber das schadet nicht.
  23. John Green: Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen) – Bücherschrank Messe Magistrale. Auch ein extrem hoher IQ ist nicht immer ein Entwicklungsvorteil, schon gar nicht, wenn man sich verliebt. Banal? Na klar. Aber John Green mixt die Banalitäten dermaßen kurios, dass eine große Liebe letztendlich an einem Franz Ferdinand-Denkmal im mittleren Westen der USA wartet, natürlich erst, nachdem man verprügelt wurde und die örtliche Fabrikantin von Tampons-Rückhol-Fäden als liebevolle Betrügerin entlarvt wurde. Genießt es.
  24. Anne Scheller: Escape School. Das Zauberbuch – Bestand des Sohns. Ein Buch als Escape Room für Kinder. Klingt eigentlich nach mir, was? Wir hatten Spaß.
  25. Lutz Seiler: Kruso – Buchhandlung. So ein spannendes Buch, ich konnte es nicht aus der Hand legen, beschäftigte mich noch wochenlang mit Fluchtrouten über die Ostsee – gefährliche Wege, auf denen viele Menschen auf der Flucht aus der DDR ertranken. Als wäre das nicht genug, steckt jede Seite dieses dichten Romans voll mit Codes, Beschreibungen, Gefühlen, ich hätte so gern alles verstanden. Geblieben ist das vage Gefühl, dass immernoch zu selten gefragt wird, wie es sich eigentlich angefühlt hat, 89/90 irgendetwas zu tun.
  26. Marc-Uwe Kling: Quality.Land 2.0 – Geschenk. Klug, unterhaltsam, wenn ich etwas anderes schreiben würde, würde ich wahrscheinlich irgendwo downgegradet. Ein bisschen schade, dass die menschlichen Aspekte von Körpern kaum eine Rolle spielen – alle fügen sich dem digitalen System. Alle? Nein, natürlich gibt es auch ein paar Aussteiger_innen. Aber das kleine, rebellische „Im-Schritt-kratzen“ von Otto Normalverbraucher, das kommt nicht vor.
  27. Laetitia Colombani: Der Zopf – Vom Partner gewonnen. Recht einfach konstruiert, schnell gelesen.
  28. Henning Mankell: Die Brandmauer – aussortiert vom Onkel. Ich mochte schon immer die Wallander-Krimis, diesen kannte ich schon, hab ihn nochmal gelesen und was soll ich sagen? Ich kann mich kaum erinnern. Mit diesem Gehirn-Status hat man immer genug zu lesen.
  29. Martina Hefter: Hey, guten Morgen, wie geht es Dir? – Buchhandlung. Ich mag Martina Hefter sehr, deshalb habe ich das Buch gelesen, bevor der ganze Buchpreis-Meyer-Wahnsinn losging. Ein Stück weit kann ich den Aufruhr verstehen, denn das Buch ist anders, als viele Buchpreisgewinner der letzten Jahre: Unaufgeregt, die Konflikte im „Normalen“ suchend. Nicht so schwierig wie möglich, sondern vielmehr eine Einladung an alle, die Wege der Geschichte mitzugehen. Und voll von klugen Beobachtungen über Bedürftigkeiten, zu Hause und rund um den Globus. Wahrscheinlich wäre es noch vor Kurzem übersehen worden. Zum Glück wird es jetzt gelesen! Vielleicht sogar von all diesen unsicheren Fremdwort-Menschen.
  30. Connie Mareth, Ray Schneider: Haare auf Krawall. Jugendsubkultur in Leipzig 1980-1991 – Mitnehmkiste. Sehr interessant und wieder ein Puzzleteilchen für mich, um die DDR etwas besser zu verstehen.
  31. Barbara Abel: Mutterinstinkt – vom Partner gewonnen. Funktioniert als Film vielleicht ganz gut, aber als Buch doch sehr schematisch. Ich mag es auch nicht, wenn Kinder wie kleine „Kindheits-Roboter“ geschrieben werden.
  32. Tove Jansson: Mumins wunderbare Inselabenteuer – Geschenk. Eines Tages sieht sich der Muminvater um und stellt fest, dass alle Mitglieder der Familie ohne ihn glücklich, zufrieden und beschäftigt sind. Was nun, was mit sich anfangen? Tief unglücklich stellt er fest, dass eine Insel mit einem Leuchtturm entdeckt werden will und die ganze Familie segelt los. Die liebevollste Beschreibung toxischer Männlichkeit, die ich je gelesen habe.
  33. Marc-Uwe Kling: Views – Geschenk. Leicht zu lesen, klare Gesellschaftskritik, kann man machen. Allerdings gefährlich nah an der Empfehlung zur Schullektüre.
  34. Richard Thiess: Mordkomission. Wenn das Grauen Alltag wird. Der Leiter einer Mordkomission berichtet über wahre Fälle. – Vom Onkel aussortiert. Alles ziemlich traurig, definitiv kein Job für mich. Der Autor schreibt präzise und mit großem Stolz auf seine Mitarbeiter_innen. Politisch eingeordnet wird eigentlich nichts – sonst hätte auffallen müssen, dass ein Großteil der beschriebenen Morde Femizide sind. Trennung vom Mann: Offenbar richtig gefährlich.
  35. Andreas Steinhöfel: Paul Vier und die Schröders – Bestand des Sohns. Etwas schematischer, als die anderen Bücher des Autors.
  36. Martin Muser: Das ist nicht lustig! – Vom Sohn ausgesucht. Recht lustig, wenn auch nicht immer. Und die Kinder sind gegen die PfD – Popolöcher für Deutschland.
  37. Herbert Renz-Polster: Erziehung prägt Gesinnung – Buchhandlung. Was haben Kindheiten mit autoritären politischen Einstellungsmustern zu tun? Eine ganze Menge, und der Autor liefert nicht nur Meinungen, sondern auch Erkenntnisse aus der Forschung. Zum Beispiel, dass in den Swing States, in denen die Gewaltrate an Kindern besonders hoch war, dann eben auch Trump gewählt wurde. Und inwiefern die Prinzipien von Konkzurrenz und Kooperation sich auf unsere Zukunft auswirken könnten. Dieses Buch wird zu wenig gelesen!
  38. Walter Moers: Wilde Reise durch die Nacht – Buchhandlung. Diese Geschichte ist rund um die Holzstiche des französischen Künstlers Gustave Doré aufgebaut. Und wie immer bei Moers brauchte ich eine Weile um reinzukommen – bis er mich dann eben doch wieder erwischt hat.
  39. Barbara Robinson: Hilfe, die Herdmanns kommen – geliehen. Die lustigste Beschreibung der Weihnachtsgeschichte, die ich je gelesen habe.
  40. Barbara Robinson: Achtung, die Herdmanns sind zurück – geliehen. Und wieder: Die asozialen Herdmanns sind die einzig Normalen in der Stadt. Garantiert ohne moralischen Teil!
  41. A. Wolkow: Der Zauberer der Smaragdenstadt – Bücherschrank Waldstraßenviertel. Ein Klassiker, am meisten mochten wir den Typen, der sich permanent seinen Bart kämmt. Zu schade, dass keine_r von uns einen Bart hat!
  42. Ulf Blanck: Die drei ??? Gauner in Rocky Beach – REWE. Es gab da so eine Aktion, und deswegen habe ich einen Haufen ???-Bücher vorgelesen. Aber natürlich auch gehört!
  43. Ulf Blanck: Die drei ??? Gefährliche Wellen – s.o.
  44. Tove Jansson: Herbst im Mumintal – Im Herbst sind viele Bewohner_innen des Mumintals ganz schön pissig, auch, weil die Mumins selber gar nicht da sind. Dem Sohn war es zu mühsam, aber wer eine taktvolle Würdigung anstrengender Nachbarn sucht, ist hier richtig.
  45. Tove Jansson: Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft – Geschenk. Ein Buch, ein warmes Gefühl.
  46. Andreas Ruch: Die drei ??? und der Bärenkopf – s.0.
  47. Marc-Uwe Kling: Das NEINhorn und der Geburtstag – Daumen hoch.
  48. Anna Jonas: Das Erbe der Hohensteins – Ferienwohnung. Die Familie HOHENSTEIN lebt auf dem DrachenFELS und auf 500 Seiten erfahren wir, wie diese reiche Familie ihr Leben in den 20ern gestaltet? Natürlich habe ich das gelesen. Spoiler: Valerie wird vom Koch geschwängert, aber erst nach der Hochzeit, und Hans tritt nun doch nicht der NSDAP bei. Check.
  49. Silky Vry, Marie Geissler: Dusty Diggers: Der cool tätowierte Jäger aus der Steinzeit. Das Geheimnis von Ötzi – Buchhandlung. Wusstet ihr, was die mit der Ötzi-Mumie alles gemacht haben, bis da mal ein Archäologe dran durfte? Das Lesen verursacht fast körperliche Schmerzen. Nichts für zarte Kinder, aber mein Sohn fand es super.
  50. Alex Haridi, Cecilia Davidsson, Filippa Widlund: Weihnachten im Mumintal. Nach einer Erzählung von Tove Jansson – Geschenk. Ja, das hört sich schlimm an, so nach „die Erben melken das Erbe von Tove Jansson ab“ – aber wenn das Ergebnis so zauberhaft ist, dann verzeihe ich alles. Zumal die Mumins Weihnachten nicht kennen, rücksichtslos aus dem Winterschlaf geweckt werden und aus der allgemeinen Hektik schließen (müssen), dass Weihnachten eine ganz große Gefahr bedeutet, die man nur mit gutem Essen, einem geschmückten Baum und allerhand Lichtern besänftigen kann… Oder man geht dann irgendwann doch einfach ins Bett. Wenn das mal nicht weise ist!

Und das waren sie – meine Bücher 2024. Shoutout an meinen Vater, der mir zum Geburtstag geschenkt hat, in dieser wunderbaren Buchhandlung in Eisenach so richtig zuzuschlagen. Shoutout an all die Menschen, die ihre aussortierten Bücher in Bücherschränke oder Mitnehmkisten legen – ich habe dort schon so viele Schätze gefunden. Shoutout an all die Autor_innen, die die ganzen Bücher schreiben! Und Shoutout an meinen Sohn, weil Vorlesen mit ihm einfach immer Spaß macht. Bis bald, mit Buch!

Ein paar Bitten…

Die Rechten sind die Gewinner_innen (ich gendere aus Prinzip) der jüngsten Wahlen. Sie werden aller Voraussicht nach auch bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen abräumen. Wahrscheinlich haben wir inzwischen auch jede Strategie gegen diese Entwicklung hinlänglich zerredet, ich habe dafür keine Geduld mehr. Ich habe nur einige Bitten:


1. Nehmt das Problem endlich ernst.
Menschen sterben an rechter Gewalt, schon seit langem. Wir dürfen das nicht unterstützen, weder in Bezug auf rassistische, sexistische, homophobe, transphobe oder ableistische Gewalt. Und auch nicht mit Blick auf die mittelbare Gewalt einer klimatisch ruinierten Welt. All das betrifft nicht nur die Politik der AfD, sondern auch (weite) Teile der CDU/CSU, FDP, SPD… Jede Partei zuckt an den ihr passenden Stellen die Achseln.


2. Hört auf, euch über AfD-Wähler_innen lustig zu machen.
Ja, ich fühle mich auch moralisch überlegen. Das bringt mir aber überhaupt nichts, wenn ich mit dieser Überzeugung allein bleibe. Wir müssen! dringend! AfD-Wähler_innen überzeugen. Auch wenn es sehr verlockend ist, sich mit diesen überhaupt nicht mehr zu befassen, sie sind nunmal da und wir sollten in Kontakt bleiben – in der Familie, Nachbarschaft, wo es sich eben anbietet.
Tipp am Rande: Es bringt meist nicht viel, sich über Meinungen zu streiten. Es kann aber zu guten Gesprächen führen, wenn man in die Biographien einsteigt und dann ganz ehrlich spiegelt, wie sich bestimmte Erfahrungen und Reaktionen für einen selbst anfühlen. Also ruhig ehrlich sagen, was man schlimm findet, aber nicht den Menschen an sich herabwürdigen. Ein schmaler Grad, ich weiß.


3. Unlust überwinden: Klar muss jetzt nicht jede_r Nazis therapieren, Menschen mit einem geschlossenen rechten Weltbild erreicht man sowieso nicht. Aber sorry, wir sind auch echt nicht in der Position, uns nicht anstrengen zu müssen.

4. Kein Ossi-Bashing. Diskussion gern. Aber mit zuhören. Alles andere macht die Lage nur noch schlimmer.


5. Lachen wo es Lachen braucht: Politiker_innen und Nazis sind vielfach Medienprofis, stramm rechts und nur an sich selbst interessiert. Lacht und schimpft über sie, alles andere bringt eh nichts.

6. Beschwert euch über Algorithmen! Je krasser, drastischer, aggressiver eine Äußerung in den sozialen Netzwerken, desto mehr Reichweite hat sie in den sozialen Netzwerken, die Medien ziehen nach. Das weltweite Erstarken der Rechten hat mit Sicherheit auch damit zu tun. Da brauchen wir dringend mehr Regulierung und eine Debatte, wie das mit der Pressefreiheit und dem Recht auf freie Meinungsäußerung in Einklang zu bringen ist.


7. Hört endlich auf zu glauben, dass dieses Problem auf der Sachebene zu lösen ist. Es ging nie um Argumente, es geht um Gefühle, Haltungen. Eine Politik der Höflichkeit und Freundlichkeit auf allen Ebenen kann hier die einzige Antwort sein. Auf Werte wie den der der Gastfreundschaft könnte Friedrich Merz ja auch mal wieder stolz sein.

8. Egal, in welcher Öffentlichkeit ihr steht: Vertretet eure Meinung. Sagt nicht, was ihr glaubt, was die Menschen vor euch hören wollen. Integrität ist das einzige, was in dieser Lage echte Orientierung bietet.

Und 9. Nehmt das Problem endlich ernst.
Danke.

Randnotizen: Der Weihnachtseinkauf

Ich hatte das nicht beabsichtigt. Ich wollte einfach nur den weihnachtlichen Familiengroßeinkauf hinter mich bringen. Aber die lediglich 90 min Aufenthalt im Reudnitz-Center reichen locker für eine neue Runde Randnotizen.

Es läuft gut! Kurz nach 9 Uhr parke ich im Parkhaus ein. Ein glänzend schwarzes Fahrzeug gleitet an mir vorbei. Der Fahrer liebt es offensichtlich, seinen Wagen zu dekorieren: Vorne prangt ein riesiger Totenkopf, an der Seite zeigt mir eine skelettierte Hand den Stinkefinger. Er biegt um die Kurve. Wie süß! Auf der Rückseite weisen drei Babysilhouetten auf seine Kinder hin. Bitte nehmt Rücksicht!

Apropos Kinder: Manche sind gar nicht in der Schule, sollte es da etwa wirklich Betreuungslücken geben? Während um mich herum die Mittfünfziger (die nicht gegendert werden wollen!) auf der Suche nach der guten Mayonnaise umherflitzen, schlurft mir ein etwa 11-jähriges Mädchen durch den Marmeladengang entgegen. Ihr Gesichtsausdruck ist …authentisch. Hinter mir donnert eine mütterliche Stimme: SO HIER IST DAS HANDY UND JETZT KOMM ENDLICH!!1! Ich bin nicht immer sicher, ob Familienfeste den beteiligten Familien überhaupt so gut tun.

Vor der Gurkenkiste steht ein bärtiger, breitschultriger Hühne und summt: palim, palim. Ich störe ihn nicht.

Eine Mittfünfzigerin steht vor der Kühltheke, sichtlich angestrengt. Wieviel Butter nochmal? Ihr Mann ruft freudvoll hilfsbereit: Nimm soviel, wie du brauchst! Diese Großzügigkeit wird lediglich mit einem sarkastischen „Danke“ beantwortet. Es mag dem Mann noch nicht in den Sinn gekommen sein, aber seine Frau hatte nie vorgehabt, den Napf mit der Kräuterbutter alleine auszulöffeln.

Menschen, die in der Mitte des Gangs von einem Fuß auf den anderen treten und alles blockieren, sollte man erschießen dürfen, und da ist mir das Alter jetzt auch wirklich egal.

In mitten des Wahnsinns ein wenig Ruhe: Die Babys schlafen selig und süß in ihren verschiedenen Behältnissen, während die Eltern ihren Einkauf erledigen. Irgendwann werden sie nach Hause gehen, die Taschen die Treppen hinauf tragen, sich einen Kaffee aufsetzen, in einen Sessel sinken… und ihr topfittes, ausgeruhtes Baby bestaunen, dass die Bude zerlegt. Been there, done that.

Der Kassenbereich ist ein wenig voll. „Meine“ Kassiererin trägt Nikolausmütze und erschöpfte Miene. Während sie die Artikel scannt, bespricht sie mit ihrer Kollegin, welche Produkte aktuell nicht lieferbar sind, die Musik dudelt, die Kund_innen dudeln, der Scanner piept, es ist ein Traum. Beim Abschied setze ich an und sage: Frohe… n Feierabend. Sie guckt mich an und lacht los.

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!

Randnotizen VIII

Je schneller der Alltag vergeht, desto langsamer schreibe ich mit. Dafür habe ich gelesen, und zwar den Literaturkanon der Altenburger Straße. Und gepinkelt wurde auch, aber woanders. Viel Freude!

Schwimmbad, Dusche. Mein Badeanzug wurde als figurformend verkauft und in der Tat: Mein Körper wirkt figurformend auf das schwarze Kleidungsstück. Gegenüber stehen zwei Frauen unter der Dusche, nackt, gut gelaunt, formlos, wenn man so will. Eine der beiden, vielleicht Anfang 60, dreht sich entspannt im warmen Wasser. Ihr fehlt eine Brust. Wie sie da steht ist sie einfach absolut cool. Kurz überlege ich, was wäre, wenn ich ihr das jetzt einfach so sagte. Das geht auf gar keinen Fall, würde alles kaputt machen. Und aus genau diesem Grund ist jede Werbe-Kampagne mit Body-Positivity-„Botschaft“ zum Scheitern verurteilt. Weil das Normale kein Urteil und keine Anerkennung braucht.

Charlotte, ey.

„Charlotte? Die ist völlig geisteskrank. Ey, die ist als erstes in eine Burschenschaft eingetreten, obwohl sie ja von hier kommt und schon einen Freundeskreis hatte. Und dann hat die sich gleich bei der Ersti-Party halt einen Typen angelacht, aber das war nach zwei Monaten auch wieder vorbei, weil die einfach geisteskrank ist. Die haben dann gestritten und sie meinte dann so, dass sie ihm die Wohnung anzündet. Und dann ist sie mit Lea zusammengezogen und da gab’s dann natürlich auch wieder Stress. Und jetzt hat sie auch schon seit 2 Jahren einen Freund, fährt aber trotzdem immer nach Hamburg und datet da irgendwelche Sugardaddys. Und -“ (Leider musste ich dann los, aber ich will seither unbedingt wissen, wie es mit Charlotte weitergeht…)

Unsicher tapsen sie da umher, in der Gemüseabteilung, diskutieren leise, wo gibt es denn noch Basilikumgewürz, der Topf ist so teuer, es wird gesucht, also machen wir das jetzt oder nicht?, ich kann es nicht mehr mit anhören, „Vernünftigen Basilikum bekommt ihr nur im Topf“, informiere ich sie. „Der hält dann auch einige Monate.“ „Ja, man nehme sich immer vor, den mal umzutopfen, aber dann…“, „Nein, nein, das schaffen die schon“, doziere ich, „es sei denn, den Pflanzen wurden die Wurzeln gekürzt, da könnt ihr dann machen was ihr wollt….“ Konsequent duze ich die beiden Jungs (jungen Männer), konsequent breite ich mein Wissen aus, konsequent wird der Blumentopf eingepackt. Ich verabschiede mich, die beiden bedanken sich artig. Heute habe ich gewomansplained.

An eurer Stelle würde ich den Basilikum im Topf nehmen!

Nicht alle mögen es, wenn ihr Haus getagged wird. Eine Wohnungsbaugenossenschaft hat deshalb vorauseilend ihre Fassade mit einem großen Graffito veredeln lassen. Und das ist höchst interessant: In einem Teilbereich sieht man ein ganzes Bücherregal inklusive Titel. Der eine oder andere wurde offensichtlich zu später Stunde mit dem Edding ergänzt, und so zeigt sich ein Literaturkanon von Tantra bis zum Zauberberg. Ich finde, man könnte die Liste noch ein wenig verjüngen, habt ihr Vorschläge?

Olaf Scholz wählt AfD

Olaf Scholz tut so, als können man die Herausforderungen der Migration mittels Abschiebungen negieren. Damit erweist er der AfD einen großen Dienst. Es ist beschämend.

Es ist mal wieder Zeit. Eigentlich wimmere ich in puncto Flüchtlingspolitik nur noch leise im Familienkreis vor mich hin und habe keine Lust mehr, mich an jedem Aufreger zu beteiligen. Ich ertrage Friedrich Merz, ich ertrage Philipp Amthor, ich ertrage Markus Lanz, (Precht gucke ich mir gar nicht erst an), ich halte Nancy Faeser aus und eigentlich auch alle anderen. Das geht insofern ganz gut, als ich ja nicht betroffen bin, hurra. Und wenn dann so ein Flugblatt kommt, und so eine lässige Nicht-Erklärung wie bei Aiwanger, dann überkommt mich einfach das Gefühl eines kompletten politischen Kontrollverlusts. Die AfD drängt mehr und mehr in Ämter und ich habe Angst. Wahrscheinlich nicht halb so viel, wie andere Menschen, die sichtbarer auf der Feindesliste stehen.

Und nun also Olaf Scholz und seine Hammeridee, „die Probleme“ dadurch zu lösen, „endlich im großen Stil abzuschieben.“ Das ist ja erstmal eine hochinteressante Idee: Wenn (!) die Wähler_innen mit der Aufnahme von Geflüchteten Ängste oder Ärger empfinden, dann ist die Vorstellung, diese Menschen einfach loszuwerden natürlich reizvoll. Abgesehen von allen moralischen Bedenken lautet die Erzählung dann ungefähr so: Wir haben Leute aufgenommen, dann wurde es uns zuviel, und da haben wir dann nach bestimmten Kriterien Leute ausgewählt und die wieder weggeschickt und die sind jetzt auch weg.

Was für ein Blödsinn!

Wir leben in einer globalisierten Welt. Apfelsinen und Billigschuhe bedeuten eben auch, dass die Welt zusammenrückt. Wir haben von diesem Zustand massiv profitiert und tun es noch. Eine riesige Ungerechtigkeit. Menschen fliehen vor Kriegen und Zuständen, die auch wir durch unsere kolonialen Aktivitäten erzeugt haben. Und es werden noch viel mehr Menschen fliehen, wenn der Klimawandel Fahrt aufnimmt. Wir haben mit unseren Emissionen und unserem (Fleisch)-konsum eine Welt gestaltet, in der wir der Fluchtpunkt sind. Je mehr Menschen kommen, desto absurder wird der Abschiebeplan. Dann müssen wir uns eben fragen: Wollen wir Gewalt, Bewaffnung, im Ernstfall Bürgerkrieg? Oder fragen wir uns vielleicht doch besser: Wie gestalten wir diese Situation zusammen?

Bei unseren Politiker_innen sehe ich leider wenig Bereitschaft, diese Zusammenhänge mit den Wähler_innen zu besprechen. Man macht sich damit nicht beliebt, also greift man lieber zur Merkel-Taktik: Die erzählt bis heute, dass nicht absehbar war, dass 2015 so viele Menschen kommen würden. Bullshit, Sachverständige haben das wieder und wieder gesagt. Aber die Vorstellung, dass es plötzlich über dem Balkan Muslime geregnet haben solle, die hält sich irgendwie hartnäckig.

Da wird viel gelogen. Das nützt der AfD.

Es ist, als ob man den Kindern hartnäckig vom Weihnachtsmann erzählt, obwohl draußen längst andere Leute stehen, die ganz unterschiedlich sind. Aber ES MUSS DER WEIHNACHTSMANN SEIN!!1! Da wird viel gelogen, und auch Olaf Scholz lügt, wenn er so tut, als läge die Lösung für alles was schwierig ist, in mehr Abschiebungen. Er lügt, weil er nicht zugeben will, dass er die Migration nur begrenzt einschränken kann. Und das ist ein direkter Service für die AfD: Politiker_innen die die Migration begrenzen/abstellen wollen, greifen ihre Themen auf. Und, was noch viel schlimmer ist: Politiker_innen, die unhaltbare Versprechungen machen oder wissentlich lügen, bestätigen die Wählerschaft direkt in ihrem Demokratieverständnis. Das ist katastrophal. Der einzige Weg mit der AfD umzugehen, ist authentisch mit den Leuten zu reden. Nicht auf Podien, das wird nur ausgenutzt, aber im direkten Kontakt. Klar und ehrlich für das eintreten, was man selbst auch vertreten kann. Und für sinkende Flüchtlingszahlen würde ich nicht meine Hand ins Feuer legen.

Wem traut ihr das zu? Ich werde schon wieder so müde…

Nichts über Rammstein

Seit einer ganzen Weile diskutiert das Internet nun schon über Rammstein, bzw. über die Vorwürfe gegen Till Lindemann und inzwischen auch Flake. Missbrauch, Vergewaltigung, K.O.-Tropfen, Gewalt, eine sexistische Casting-Praxis, Anzeigen und Anwaltschreiben. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, was auch gut ist, denn die allermeisten von uns waren noch nie backstage bei Rammstein und haben daher eigentlich nicht so viel zur Debatte beizutragen. Oder doch? Ich für meinen Teil bin wahnsinnig wütend. Und deshalb schreibe ich heute mal „Nichts über Rammstein“.

Ein Hinweis vorab: Ich habe dieses Mal weniger gegendert. Natürlich weiß ich, dass auch Männer und männlich gelesene Personen Opfer von sexualisierter Gewalt werden können. Ich wollte aber, dass auch potentielle cis*männlicher Täter den Text verstehen. Danke für euer Verständnis.

„Büchsenöffner.“ Was für mich bis vor kurzem noch ein Utensil eines Astrid-Lindgren-Picknicks war, wurde mir nun mit 41 Jahren von wohlmeinenden Freunden erklärt: Den Büchsenöffner nehmen Menschen (Jungs) auf dem Land mit zur Party. Er besteht aus einer Flasche Schnaps. Frauen abzufüllen um sie „ins Bett zu kriegen“ ist eine beliebte kulturelle Praxis.

Und überhaupt: „ins Bett kriegen“? Wie kriegt man die Frauen da nur hin? Mit Hunden? Absperrungen? Sollte man vielleicht einen Salzleckstein aufstellen?

Und was wird aus denen, bei denen das nicht klappt? „Reste ficken“ – so lange weitersaufen, bis alle anderen weg sind und der traurige Rest dann eben auch endlich gut genug ist. Ist das der Plan?

Vielleicht mit einem Salzleckstein?


Wir müssen nicht über den Fall Rammstein sprechen, um zu sehen, dass wir ein riesigens gesellschaftliches Problem namens rape culture haben. Andernfalls würden die Vorwürfe auch nicht so hohe Wellen schlagen. Und die Fans und Verteidiger_innen ziehen ja auch alle Standardregister: Victim Blaming ohne Ende, ein absurdes Vertrauen in die Aufklärungsfähigkeit der Behörden und einen ordentlichen Schuss Romantisierung der Musikbranche.

Denn soviel muss klar sein, selbst wenn ich nackt und zugedröhnt im Backstagebereich rumliegen würde, umgeben von Liebesbriefen an die halbe Band – ohne ausdrücklichen und direkten consent hat niemand das Recht das auszunutzen. Wenn ich nicht mehr in der Lage wäre mich zu äußern, dann wäre ich auch nicht mehr fähig diese Entscheidung zu treffen, und da ist es egal, ob man Till, Flake oder Nepomuk heißt und am vernünftigsten wäre es vielleicht sowieso eine_n Sanitäter_in zu rufen. Ein aufgezwungener Geschlechtsverkehr ist nie die Schuld des Opfers, es hat natürlich die Verantwortung für sich selbst, nicht aber für den potentiellen Täter, übrigens auch egal wie betrunken auch dieser wiederum ist. Und, kleine Nebenbemerkung: Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist der beste Weg kein Täter zu werden. Nur mal so als Tipp.

Nebenbemerkung: Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist der beste Weg kein Täter zu werden.


Dass die Behördern sexualisierte Gewalt in welcher Form auch immer zuverlässig aufklären und angemessen bestrafen würden – ich möchte jedes Mal eine Friedenstaube mit den neuesten Statistiken losschicken, wenn ich dieses Argument lese. Sie tun es nicht, sie können es nicht, es ist sowieso schon schwierig und die Verfahrensweisen helfen auch nicht dabei. Ich empfehle das Buch „Akteneinsicht“ von Christina Clemm.

Und dann natürlich der Mythos des ungezügelten Lebens der Rockstars… Ja, diese Mythen aus den Welten der Künste, die sind ganz schön nützlich, und zwar nicht nur in der Musikbranche. Auch im Theater und im Film und was weiß ich nicht wo noch alles stabilisieren sie ungerechte, frauenfeindliche, schlicht patriarchale Strukturen.

Rammstein sind in allererster Linie eins: Ein sehr großer Arbeitgeber. Sie stehen an der Spitze einer großen Pyramide von Abhängigkeitsverhältnissen. Solche Gebilde neigen dazu, dass niemand spricht, dass Dinge klein- oder schöngeredet werden. Wem nützt es schon, schwerwiegende Anschuldigungen zu äußern? Wer denkt, dass die Frauen davon profitieren, dem werde ich diese Überzeugung nicht nehmen können. Denn die Frage ist ja: Was müsste eine Frau tun, wie schlimm und wie persönlich muss eine Frau sich äußern, damit ihr keine niedere Absicht mehr unterstellt wird? Wieviel soll sie von sich Preis geben, damit ihr geglaubt wird? Und ab welchem Punkt ist es dann schon wieder hysterisch, unrealistisch usw? Frauen können an diesem Punkt nur verlieren. Weil sie Frauen sind.

Sie werden es überstehen.


Rammstein, da bin ich mir ziemlich sicher, werden die Sache überstehen. Sie haben alle Ressourcen und per se kein Problem damit, die „bösen Jungs“ zu sein und mit Ambivalenzen zu spielen. Das ging bei den letzten Konzerten in Berlin schon los.

Das Gute ist: Ich fühle mich persönlich nicht von denen bedroht.
Das Schlechte: Ich lebe in einer Welt voller Büchsenöffner. Das ist verdammt bedrohlich und gefährlich, nehmt es endlich zur Kenntnis. Danke.



Nicht gut genug.

Was war das für ein Wochenende in Leipzig. Das Urteil gegen Lina E. und ihre Mitangeklagten hatte wie erwartet mobilisiert und einmal mehr konnte man in Echtzeit beobachten, wie es zur Eskalation zwischen Behörden/Polizei und linken Demonstranten kam. Es ging um Politik, um die leidige Extremismustheorie, um Verhältnismäßigkeit und Grundrechte, Versammlungsfreiheit und Gewalt, und das alles direkt in meiner Nachbarschaft. Nun, nach mehreren Tagen, kreist der Hubschrauber nicht mehr über unseren Köpfen. Ich habe die Augen geschlossen, durchgeatmet, die Augen geöffnet und muss sagen: Das, liebe Leute, war nicht gut genug.

Die Konfrontationen zwischen Polizei und „der“ Antifa haben natürlich eine lange Geschichte, gerade hier im Süden Leipzigs, und diese Geschichte wird zumeist stark verkürzt erzählt: Es gibt keinen linksradikalen Verein, in dessen Satzung steht, man habe monatlich einen Polizisten zu verzehren, oder sonst irgendeinen Unsinn. Oft komme ich in die Verlegenheit, Leute beruhigen zu müssen: Entgegen mancher Berichterstattung lässt es sich in Connewitz gut leben, es gibt ein gutes Krankenhaus, Leipzigs beliebteste Geburtsklinik, es gibt Kleingärten, Spielplätze und Kneipen, alles fein. Es gibt sogar eine ganze Menge Senioren. Und die Geschichte der linken Szene im Stadtteil ist eine lange und hat nicht erst letzte Woche begonnen. Es lohnt sich, sich damit zu befassen.

Und dann gibt es, gerade hier im Süden der Stadt, eben immer wieder diese Zusammenstöße zwischen Polizei und linken Demonstranten. Es ist ein festgefahrener Konflikt, und auch, wenn die Geschichte dieses Konflikts wichtig ist, möchte ich mich jetzt nicht auf die klassische Frage einlassen, wer denn hier angefangen habe, denn WTF – es geht hier um mehr als Schuldzuweisungen. Ich würde sogar so weit gehen, dass es eine Verhöhnung linker Politik ist, sich einzig und allein auf diesem Level abzuarbeiten.

Das Gegenteil von Eskalation.

Und natürlich darf ich als Bürgerin dieses Staates erwarten, dass Behörden und Polizei sich nicht an einer Gewalteskalation beteiligen. Demos einfach zu verbieten ist das Gegenteil von Deeskalation. Und es greift auch zu kurz, dies mit einem Verweis auf die Garantie von Gewaltfreiheit durch den Versammlungsleiter zu tun – jeder Depp kann im Internet zur Gewalt aufrufen und die Gesamtveranstaltung diskreditieren, wie soll denn eine Einzelperson das kontrollieren. Dies wäre Aufgabe der Polizei, denke ich mit meinem schlichten Verstand, oder nicht? Die Verbotslösung war jedenfalls: Nicht gut genug.

Und die Deeskalation ist ja dann auch nicht gelungen. Es gab jede Menge Gewalt, Steine aus der Menge, Aggressivität aus den Reihen der Polizei, unwürdige Bedingungen in der eingekesselten Gruppe, wir kennen die Berichte. Wie können die Verantwortlichen jetzt ernsthaft von einem gelungenen Einsatz sprechen? Was ist denn daran gelungen? Das war: Nicht gut genug! Und von Deeskalation: Keine Spur.

Und das alles passt natürlich ganz allgemein zu vielen Kritikpunkten am Polizeiapparat, an der fehlenden Kontrolle, an fehlender Reflektion, an zu großen Entscheidungsbefugnissen rund um Demonstrationen usw. Weil es dabei um eine ganze Menge geht, möchte ich diesen Punkt noch weiter öffnen: Das Versagen der Polizei rund um das Thema internalisierter Rassismus in den eigenen Reihen, um Polizist_innen mit rechter Gesinnung in den eigenen Reihen, zum Glück gibt es inzwischen wenigstens die Berichterstattung darüber, ich lese z.B. gern bei Gilda Sahebi oder Mohamed Amjahid. Dass unser Staat es nicht schafft, hier wirklich zu reformieren ist existentiell. Und nicht gut genug.

Zieht den Finger aus dem Arsch!

Und das bringt mich zu meiner Kritik an „der“ außerparlamentarischen Linken: Wenn eine Lage so verfahren ist, dann, so sage ich mal ganz unakademisch, dann muss halt auch irgendwer einfach mal den Finger aus dem Arsch ziehen, und sich besser als die anderen verhalten, auch wenn es unfair ist. Es geht nicht darum, wer angefangen hat, es geht darum, ein menschenwürdiges Leben für alle, auch für marginalisierte Gruppen zu ermöglichen, es geht darum, Diskriminierungen abzuschaffen und sich als Staat immer wieder neu zu reflektieren. Das ist, zumindest für mich, das große Ziel. Und davon sind wir nach diesem Wochenende einmal mehr weit entfernt. Jede fliegende Bierflasche, jede brennende Mülltonne bringt neue Stimmen für die AfD, stärkt rechte Netzwerke, deren Rückhalt in der Bevölkerung. Soviel strategisches Denken sollte doch auch in einer aufgeladenen Demo noch möglich sein?! Nicht gut genug!

Diese Aktionen bringen Geflüchteten gar nichts, sie grenzen Kinder und Familien aus, die in der Regel unter diesen Bedingungen nicht mitlaufen werden, sie dienen der Selbstbestätigung, nicht aber der perspektivischen Verbesserung unserer Lebensumstände. Ich wünsche mit eine offene Linke, die sich nicht anbiedert, aber im Gespräch bleibt, und ich weiß auch, dass es viele Menschen gibt, die genau das leben. Die aber am letzten Wochenende wieder einmal nicht zu Wort kamen. Nicht gut genug.

Nächstes Jahr sind Landtagswahlen.

Nächstes Jahr sind Landtagswahlen, unter anderem in Sachsen und Thüringen, mit besten Chancen für Bernd Höcke und Konsorten. An seiner Stelle würde ich in jede Demo ein paar verkleidete Steinewerfer_innen einschleusen, das wirkt sich für ihn nämlich ganz prächtig aus. Wahrscheinlich öffnet er sich dabei sogar einen Sekt. Aber nicht, weil er wirklich was zu bieten hätte. Sondern weil wir nicht gut genug waren. Echt mal.

Also, lasst die Hosen runter, springt in den Zug und ändert was. Siehe Video.

„Hotel Mondial“ – echt jetzt, ZDF?

Der Schauspieler Daniel Aichinger hat vor um die 20 Jahren den Jugendclub des Theaters der Altmark geleitet. In diesem wiederum spielte mein Freund und dessen Vater rief uns vor einigen Tagen an: „Der spielt jetzt im ZDF!“. Und so kam es, dass ich diese Vorabendserie anschaute und eine perfekte Gehirnwäsche bekam. Die „Mutter aller Probleme“ wohnt nämlich im Hotel Mondial.

Zunächst mal: Sie haben sich echt bemüht. Es geht um irgendwelche Leute, die in irgendeinem Vier-Sterne-Hotel arbeiten, da gibt es viel Luxus, viel Blabla, vor allem haben sie sich aber bemüht, Diversität abzubilden, jedenfalls in Bezug auf die Hautfarbe, und das ist ja schonmal was. Zwar wäre ich gern bei der Konferenz dabei gewesen, bei dem entschieden wurde, mal was freshes, junges zu machen, zum Beispiel eine Hotelserie – und ich bekäme auch gern einen Euro für jedes Klischee und jede Floskel im Drehbuch – aber was weiß ich schon von den Zwängen im harten Geschäft der öffentlich-rechtlichen.

Die Hauptrolle spielt das deutsche Arbeitsrecht.

Die eigentliche Hauptrolle in der Serie spielt allerdings, wenn man so will, nicht der auf Abwege geratene Portier oder die knallharte Karrierefrau: Die Hauptrolle spielt das deutsche Arbeitsrecht. Ich bin da keine juristische Expertin, dass aber die neue Chefin gefühlt ab der ersten Minute munter Leute entlässt, ohne Abmahnung, ohne Betriebrat, ohne irgendwas, das ist schon der feuchte Traum der Führungselite des Großkapitals. Wer nicht gefällt, der fliegt, so ist das eben, liebe Leute! Spannend auch, dass sie nie jemand neuen dafür einstellt, denn letztlich braucht wohl niemand Mitarbeiter_innen, schon gar nicht solche, die selber denken, das macht nur Scherereien.

Dann diese Geschichte, dass der Portier noch nebenbei seine Kolleg_innen ausspionieren soll, mit Fotos und allem – na da kann man nichts machen, sie ist eben streng. Dass die Rechtsgrundlage dafür äußerst dünn ist, spielt in der Serie keine Rolle. Die Zuschauer_innen (im Vorabendprogramm) bekommen dieses Verhalten als „harte Schule“ vorgesetzt, und nicht wenige dürften glauben, dass „die harte Realität da draußen“ eben so aussieht. Eine echte Gehirnwäsche, denn wer mit diesen Vorstellungen ins Berufsleben geht, der wird ganz schlicht und einfach Ausbeutung für den Normalzustand halten. Was lachhaft ist.

Ziemlich schnell kommt er dann nämlich: Der „Oh Captain, my Captain“-Moment. Das ganze Team kündigt geschlossen. Die Chefin sagt okay und dreht sich um. Kopfschmerzen hat sie keine. Was für ein Blödsinn!

Kein_e Personalverantwortlich_e könnte sich ein solches Verhalten leisten, die Mühen, neues, qualifiziertes Personal einzustellen wären viel zu hoch, der Fachkräftemangel ist eklatant. In Wahrheit müsste die Chefin ihre Mitarbeiter_innen regelrecht umgarnen, alles andere wäre hochdramatisch für ihre eigene Karriere.

Und das alles betrifft nur die Lohnarbeit.

Und all das betrifft nur die Lohnarbeit – die vielfach unbezahlte Care-Arbeit wird hier noch nichtmal mitgenommen. Kinder, Küche, Kirche, wenn wir auf dem Level bleiben wollen, die Sorge um andere behindert unser Wertschöpfungssystem nicht, sie ermöglicht dieses. Mit massivem seelischen Druck (Moral und Mutterliebe) wird Arbeit abgehakt und unsichtbar gemacht. Gestern war Frauentag: Der radikalste Streik im Kapitalismus bestünde sicher darin, wenn Menschen mal einen Tag lang ihre Sorgearbeit ruhen ließen. Das wird nicht passieren – wir wollen nicht, dass unsere Kranken verschimmeln, unsere Kinder überfahren werden. Wir sind erpressbar, weil wir lieben, zum Glück. Diese hirnverbrannten Geschichten sollten wir trotzdem nicht weitererzählen.

Die Märchen von alles entschuldigender Mutterliebe und eben auch vom Aufstieg durch Leistung und von der Allmacht der_des Chef_in ist letztlich nur eines: Zutiefst kapitalistisch. Wir finden sie in vielen weiteren Geschichten, sie den Leuten permanent im Vorabendprogramm einzubleuen ist vermutlich keine Absicht, hat aber in jedem Fall Methode. Warum sagt ein ZDF nicht die Wahrheit: Dass gute Leute fehlen, dass Zuwanderung fehlt, dass auch Arbeitnehmer_innen in ihrer Würde und in ihren Rechten nicht geschädigt werden dürfen? Dass gute Arbeit wichtig ist – in allen Bereichen des Lebens? Und dass sie entsprechend honoriert werden sollte?

Vielleicht, der Seitenhieb sei mir verziehen, ist das in Führungsetagen mit italienischem Parkett noch nicht angekommen. Und das ist die Mutter aller Probleme.

Randnotizen VII

Endlich mal wieder Randnotizen! Mit Kindern, die immer lernen, Erwachsenen, die es nie lernen und Seehunden, die wahrscheinlich Hilfe brauchen, fragt selbst.

Auf dem Weg zu meinem Termin laufe ich außen am Friedenspark entlang. Zwischen den Büschen eine staubige Baustelle. Zwei Stunden später Rückweg durch den Park, die Bauarbeiter sind weg und hier steht… Eine öffentliche Toilette! Wenn das mal keine gute Idee ist! Hinter dem Häuschen biege ich ab auf die Straße. Es steht noch keine Stunde. Ein Mann uriniert gegen die Rückwand. Keine Pointe.

Weihnachtsfeier, angenehme Leute, ich lerne noch kennen. Man erzählt sich, was man so macht, einer berichtet, er arbeite als Feel Good Manager. Was das bedeute, möchte ich wissen, und er spricht von Team Building und guter Arbeitsatmosphäre. Dann geht er Getränke holen und ich beobachte einen uralten und geradezu peinlich sozialdemokratischen Impuls an mir: Ich will verdammt nochmal lieber einen Betriebsrat!

Weihnachtseinkäufe. Ich verlasse einen Laden und stolpere geradewegs in das lauteste und dreckigste Lachen, dass ich je gehört habe. Hier rührt ein Bösewicht in einem Kessel, hier wird ein teuflischer Plan geschmiedet, hier – Hier steht ein schmächtiger Obdachloser und beobachtet die Passanten. Beiläufig schlendert er weiter, genau hinter eine Frau – und ES lacht wieder, der Gehweg wackelt, die Frau macht einen Satz. Ich folge dem Mann, nachdenklich betrachtet er eine BurgerKing-Filiale. Dann tritt er ein, die Tür fällt zu, eine Sekunde vergeht – und ich sehe durch die Glasfassade, wie die gesamte Kundschaft zusammenzuckt. Es ist der Grinch!

Spiele, die man mit Nummernschildern spielen kann

Spiele, die man mit Nummernschildern spielen kann (powered by the Sohn): 1. E-Autos zählen, 2. Herkunftsländer zählen, 3. Bundesländer zählen und versuchen alle 16 an einem Tag zu sehen, 4. Buchstaben sagen, 5. Mit den Buchstaben einen Satz bilden, 6. Plaketten angucken, 7. Zahlen sagen, 8. Gesamtzahl (üben zu) sagen, 9. Vergleichen, welche Zahl am höchsten ist, 10. Die Zahlen addieren; 11. Gucken, ob man mehr Nullen oder Os findet (sehr gern kompetitiv), 12. Gucken, ob man mehr Sechsen oder Neunen findet (s.o.), rote, grüne, schwarze Nummernschilder suchen, 13. Das Nummernschild mit der niedrigsten Zahl/höchsten Zahl finden, – trefft mich, wie ich der Landesregierung vorschlage, den Lehrer_innenmangel mit Nummernsschildern auszugleichen.

Zum ersten Mal bin ich in der Stadtbibliothek ganz oben, noch hinter der Musikbibliothek, ich brauche etwas aus dem Magazin. Die Mitarbeiterin sucht, sucht wieder, plötzlich durchfährt ein gewaltiger Lärm den riesigen Raum, was kann das sein, es klingt wie… ja wie ein größerer Seehund, der im Lüftungsschacht eingeschlossen ist und um Hilfe ruft. Ich frage die Frau, ob hier ein größerer Seehund im Lüftungsschacht eingeschlossen ist und um Hilfe ruft. Sie schaut mich nachdenklich an und nickt. „Wir wissen auch nicht, woher das immer kommt…“ Wenn ihr in die Stadtbibliothek geht, nehmt ein paar Heringe mit.