Freie KünstlerInnen: Vorreiter eines neoliberalen Systems?

„So kannst du nicht argumentieren!“
Letzter Abend des Bundeskongresses der freien Darstellenden Künste in Hamburg. Längst bin ich mit Freunden essen gegangen, drei Tage voller Diskussionen und Informationen rund um die Lobby-Arbeit der freien Szene liegen hinter mir. Und ich habe diese Tage genossen.

Es ist kein Geheimnis, dass die Bezahlung, ach was sag ich, schon die soziale Absicherung von freien Theaterschaffenden katastrophal ist. Zweifellos ist es wichtig und richtig, für faire Arbeitsbedingungen zu streiten, eben für die Themen, die auf dem Kongress besprochen wurden: Eine Honoraruntergrenze zum Beispiel. Sinnvolle Förderinstrumente und Qualitätskriterien. Und doch findet man den Teufel dann im Detail, und so sitze ich da mit meinen Freunden und argumentiere mich selbst ins Aus, in dem Versuch mein Unbehagen auszudrücken.

Denn was ist schon fair?
Ein fachfremdes Beispiel aus dem Bildungssektor wird gebracht: Von Doktoranden, die für 25 € pro Stunde unterrichten. Von studierten Lehrkräften ohne Promotion, die dann nur noch 23 € kriegen. Von Bachelors die sich über 20 € freuen dürfen. Und von Lehrkräften, die nicht mehr wiederkommen durften, weil sie keine Altersvorsorge bezahlen (konnten). KünstlerInnen sind beileibe nicht die einzigen, die schlecht bezahlt werden. Natürlich schreit das danach, sich zu wehren, zu verbünden. Und dann machen wir trotzdem unterfinanzierte Projekte. Kürzen bei uns selbst. Weil wir überhaupt etwas verdienen müssen. Aber auch, weil wir unser Projekt eben so gern umsetzen wollen.

Ich denke nicht, dass KünstlerInnen die einzigen sind, die für ihren Beruf brennen – das wäre völlig vermessen. Meine Achillesferse ist eher, dass ich das vage Gefühl habe, dass es Projekte gibt, die nicht (genug) gefördert werden, obwohl sie wichtig sind. Das ist dann eher die Frage, welchen Projekten Wert beigemessen wird. Und was hat „Wert“ mit „Fairness“ zu tun?

Ob ich mir nun Schuhe kaufe, ein Brot oder eine Theaterkarte: Die Wahrheit ist, dass ich den Wert all dessen überhaupt nicht in Geld einschätzen kann. Wenn ich privat den „angemessen“ teuren Biohonig kaufe, so bin ich für mein Projekt doch verpflichtet „sparsam“ zu kalkulieren, also den Billighonig von den Zuckerwasserbienen zu kaufen. Was meine Arbeit wert ist, kann ich höchstens anhand von Kategorien beziffern: Ausbildungsgrad. Nachfrage. Förderrichtlinien. Aber wenn ich mir den Zustand meines Büros an manchen Tagen anschauen, dann bin ich geneigt, den Wert einer Stunde Putzen sehr sehr hoch einzustufen, auch wenn ich dafür keinen Magisterabschluss brauche. Und deshalb habe ich kein persönliches, sicheres Gefühl dafür, was fair ist.

Und wenn ich nun für mein Kunstprojekt einen Förderantrag einreiche, dann entscheiden andere über dessen Wert, und das bedeutet eben, dass ich das Projekt verwirklichen kann, oder auch nicht. In meinem Kopf schätze ich Ideen inzwischen schon früh ein, wäge ab, ob sie „förderfähig“ sind, entscheide intuitiv, auf was ich meine Kraft verwende, und auf was nicht. Ob die Geldgeber in öffentlichen Häusern und privaten Stiftungen meinem Vorhaben, nun ja, Wert beimessen werden. Oder ob es sich nicht lohnt: Mich stundenlang hinzusetzen und die Anträge zu schreiben.

KünstlerInnen werden nicht nur VorreiterInnen eines neoliberalen Systems, wenn sie sich selbst und andere ausbeuten und für immer weniger Geld produzieren. Sie werden es auch, wenn sie nur noch marktgerechte Ideen produzieren.

Und deshalb wünsche ich mir noch mehr Lobbyarbeit: Nämlich auch Ideen für die Projekte, die gar nicht mehr formuliert werden. Die sich jeder Logik des Marktes entziehen und somit in diesem vielleicht gar nicht sichtbar werden können. Wir sind kreativ, verdammt. Da muss doch noch was gehen.

Jan Fleischhauer und die Flüchtlingseuphorie

Heute früh öffnete ich Facebook. Ich sah, dass der Leipziger CDU-Abgeorndete Dr. Thomas Feist eine Kolumne von Jan Fleischhauer über „Deutschland und die Flüchtlinge“ geteilt hatte. Ich las. Selten macht mich ein Post so wütend, dass ich 8 Stunden später doch noch etwas dazu schreiben will. Erschwerend wirkt sicher, dass Dr. Feist als Abgeordneter den Text offensichtlich für lesenswert hält. Deshalb hier meine Meinung Stück für Stück.

„Die Flüchtlingseuphorie nimmt bedenkliche Formen an. Vielen reicht es nicht mehr, die Fremden, die zu uns kommen, freundlich aufzunehmen – sie wollen in jedem Asylbewerber gleich einen Neubürger sehen.“
Das ist zunächst einmal eine Behauptung, nein, es sind mehrere Behauptungen:
1. dass es eine Flüchtlingseuphorie gäbe, 2. dass diese bedenkliche, mithin beunruhigende Ausmaße erreicht habe,    3. dass „viele“ Deutsche alle Flüchtlinge einbürgern lassen wollen.
Mal abgesehen davon, dass keine dieser Behauptungen irgendwo mit Zahlen untersetzt wird, bedient diese Formulierung denn auch noch in eloquenter Weise die Angst „dass dann alle bleiben, dann haben wir die … hier, die gehen dann nicht mehr weg“. Klingt nach Bürgerinitiative gegen jedes beliebige Asylbewerberheim.
Nun gut, wende ich mal selbst ein, vielleicht hat Herr Fleischhauer aber in seinem Bekanntenkreis überdurchschnittlich viele Personen, die eine Flüchtlingseuphorie erleben, die helfen, helfen, und ein paar T-Shirts spenden wollen und dabei womöglich auch noch naiv vorgehen und das ganze in 6 Wochen aufgeben werden. Vielleicht geht es Dr. Feist, der den Artikel heute morgen auf Facebook teilte, ganz genauso. Vermutlich packt die junge Union gerade jede Menge Seifenpäckchen.
Doch halt! Es ist nicht so einfach: Es gibt nicht nur „Musterflüchtlinge“!
„Eine Antwort könnte sein, dass nicht alle, die zu uns kommen, so leistungswillig und perfekt ausgebildet sind wie Feras.“
Das ist richtig. Tatsächlich beobachte ich bereits seit einer Weile, dass die Politik sogar ganz gerne ein Bild zeichnet von hilfsbedürftigen Flüchtlingen aus Syrien (die dann natürlich auch gut ausgebildet sein können), und „Balkan-Flüchtlingen“, die uns im Schulhofjargon nur ausnutzen wollen. In dieser schematischen (und für meine Begriffe zutiefst diskriminierenden) Aufteilung zeigt sich bereits, dass in der Presse beileibe nicht nur von „Musterflüchtlingen“ die Rede ist.
Aber bleiben wir bei den syrischen Geflüchteten: Fleischhauer ist nämlich etwas aufgefallen, was den euphorischen Helfern noch neu ist. DIE SIND GAR NICHT ALLE NETT!
Für diese Erkenntnis habe ich als sowohl professionell als auch ehrenamtlich mit Geflüchteten arbeitende Person nun ein kräftiges… Achselzucken. Manche Menschen mag man, manche nicht. Manchmal trennen einen Sprachen. Manchmal Weltanschauungen. Manchmal interessiert man sich für verschiedene Sachen. Und wenn jemand den IS super findet, dann verstehen wir uns vermutlich tatsächlich nicht. Das alles ändert aber nichts daran, dass für jeden, JEDEN Menschen die Menschenrechte gelten. Für Jan Fleischhauer, für Dr. Thomas Feist, für mich und auch für einen am besten sogar besoffenen Balkan-Flüchtling, der leider kein syrischer Herzchirurg ist.
Die Sorge, dass die Stimmung der Helfenden, wenn sie das plötzlich herausfinden (denn das haben all diese möglicherweise denkenden und eigenverantwortlich handelnden Menschen vermutlich wirklich nicht bedacht) in große Ängste und fremdenfeindliche Zustände umschlägt, ist nun ein wunderbares Feigenblatt, um die simple Unlust zu verbergen, weniger leistungsbereite Menschen aufzunehmen. Sie bildet einen vorauseilenden Gehorsam gegenüber rassistischen Stimmungen ab, der in Sachsen gerade sowieso en vogue ist. Für jemanden, der eine kritische Kolumne schreibt, ist sie ein putziges Argument. Müsste Herr Fleischhauer sich nicht eher damit beschäftigen, was und wer wirklich helfen kann und wie man der Gefahr eines Stimmungsumschwungs entgegentreten kann?
Tatsache ist doch, dass in der Flüchtlingshilfe viel zu wenig Fachkräfte arbeiten. Wenn die Politik hier Stellen schaffen würde, dann bräuchte niemand einen angeblichen Hype. Dann würden Profis mit den Geflüchteten arbeiten. Andere Kontakte (die selbstverständlich ebenfalls unerlässlich sind) wären dann rein privat. Kompetente Profis suchen nicht nur Selbstbestätigung oder neue Freunde, sie arbeiten mit den Menschen unabhängig von persönlichen Sympathien. Und wenn ihnen wirklich jemand unterkommt, der den IS nach Hintertupfingen bringt, dann können sie reagieren. Das kostet Geld. Aber wäre es nicht die bessere Alternative? Oder anders gefragt: Wäre es nicht besser, wenn die Menschen, über die wir „sehr wenig wissen“ professionell begleitet würden, die Euphorie sich darauf beschränken würde, die neuen Nachbarn kennenlernen zu wollen – und die Menschenrechte für alle Herzchirurginnen und Penner gleichermaßen gelten würden?
Linke idealisieren Fremde als „edle Wilde“ und „kämpfende Proletarier“, schreibt Herr Fleischhauer abschließend noch. Und dass die Menschen in Wahrheit zu uns kommen, weil sie unser System attraktiv finden.
Ich kommentiere das nicht inhaltlich. Aber ich empfinde es als eine Unverschämtheit, mir solche Sätze anhören zu müssen. Seit 2 Jahren arbeite ich mit Geflüchteten. Weniger Respekt habe ich bisher nur in rassistischen Kommentaren zu anderen Artikeln erlebt.

131 Mails & eine Boxsackaufhängung

Der erste Tag nach dem Sommerurlaub.
Wohlweislich habe ich keine Termine auf diesen Tag gelegt – heute verschaffe ich mir einen Überblick. Und weil mich keiner erwartet, beginne ich damit auch erst um 12 Uhr. Kleine Freuden der Freiberuflichkeit.

11:54 Uhr. Ich betrete das Büro, meine Kollegen sind alle ausgeflogen. Habe ich das so chaotisch hinterlassen? Ups. Das war ich aber nicht alleine.

12:07 Uhr. Ich öffne mein Mailpostfach. 84 Mails. 3 Mails von Sozialen Netzwerken. 15 Mails im Ordner Werbung. 19 mal Spam (hier verstecken sich dann oft wichtige Mails – nicht reinzugucken, kann ordentlich Ärger machen). Also 131 Mails. In meinem Kopf höre ich zahlreiche Kollegen: „ach, das geht ja noch, bei mir waren es 732856083798“.

12:07 Uhr. Spam enthielt nur Informationen über „unsren Herrn Jesus Christus“ und geschlechtliche Fragen. Gelöscht. Kurzer innerer Kampf, ob das für den ersten Tag reicht. Werbung und Nachrichten von sozialen Netzwerken löschen. Jetzt geht’s los.

12:19 Uhr. Löschen aller Petitionen. Noch 71 Mails.

12:35 Uhr. Ich bin im Verteiler einer Gruppe, die sich mit der Menschenwürdigkeit des Umgangs mit Geflüchteten in Leipzig auseinandersetzt. In meiner Abwesenheit ist in Leipzig viel passiert. Lesen. Löschen. Traurig sein und schlechte Laune haben. 43 Mails.

12:47 Uhr. Zum ersten Mal eine Mail gefunden, die ich kurz beantwortet habe!

12:52 Uhr. Ausschreibungen, Newsletter, Informationsveranstaltungen. Gelesen, gelöscht. Noch 21 Mails.

12:53 Uhr. Es gibt  noch einige Mails aus dem Kommunikationsprogramm Trello, dass ich mit einigen Partnern nutze. Ungelesen gelöscht. Das wird ein eigener Arbeitsstrang. 11 Mails.

13:00 Uhr. Projektbezogene Mails mit Inhalten, die konkreten Einfluss auf meine Arbeit haben. Evtl. auch die Bezahlung dieser Arbeit. Evtl. auch mit einem längeren Prozess der Terminfindung bezüglich dieser Arbeit – an diesen Tagen? – an diesen Tagen?- aber ich kann besser an diesen Tagen? Das Team war fleißig.

Alles gelesen. Jetzt muss geantwortet werden… Oder doch erst Mittagspause?

14:20 Uhr. Eine Mittagspause und ein Telefonat mit der Bürokollegin später: Öffnen eines großen Pakets. Die Kollegin hat einen Ständer für den Büroboxsack gekauft. Welche Werkzeuge soll sie mitbringen, um den aufzubauen? Die Anleitung sieht aus wie ein Ameisenhaufen. Foto machen, Nachricht senden.

14:30 Uhr. Eine neue Mail. Wird radikal sofort gelöscht.

15:29 Uhr. Lange Mail formuliert. Warum hängt der Boxsack noch nicht? Könnte eine kurze Pause brauchen, denn jetzt geht’s an die Trello-Organisation…

15:42 Uhr. Trello.

15:58 Uhr. Trello.

16:04 Uhr. Trello.

16:10 Uhr. Ich bin durch. Huch! Ich bin durch!

Na dann mach ich jetzt mal die Post auf…

 

 

 

 

 

 

Was wir über das Bienenland wissen

Das Intensivangebot des Projekts „Wo die wilden Bienen wohnen“ ging letzte Woche in die zweite Runde. Unsere Gruppe aus Kindern und Erwachsenen mit deutschen, palästinensischen, syrischen, iranischen und kurdischen Wurzeln organisiert sich als eigener Staat: Das Bienenland. Letzte Woche allerdings deutlich undemokratischer, denn eigentlich, und das empfinde ich als zutiefst menschlich, wollen die BienenbürgerInnen nur eines: Dass gut für sie gesorgt wird. Was wir aktuell über unseren Staat sagen können, haben wir hier zusammengefasst.

„Bienenland ist ein freies Land. Man kann sagen, was man will, man kann kochen, tanzen… Es ist ein lustiges Land.“

Die Landessprache heißt „biendarabisch“. Zur Stunde gibt es hier zwei allgemein anerkannte Begriffe: „Guten Bienentit!“ und „Bienenburtstag“.

Es gibt ein einziges Gesetz: „Respekt & alle hören auf die Chefs“.

Chefs werden in den Bienenlandversammlungen von den BienenbürgerInnen bestimmt. Inzwischen gibt z. B. es Chefs für Spiele, Tanz, Malen, Dekoration, Sprachen, TV und Chillen.

In Versammlungen werden alle Fragen des Zusammenlebens zweimal täglich geklärt. Außerdem gibt es eine Versammlung, wenn ein ernstes Problem auftritt. Das sorgt für einigen Unmut. Manche BienenbürgerInnen wünschen sich statt der Versammlungen eine Diktatur.

Am Ende einer Versammlung pflegen die BienenbürgerInnen zur Nationalhymne Coco Jambo zu tanzen.

Der wichtigste Posten war bisher der des Streitchefs.

In der jüngsten Geschichte entschieden sich die BienenbürgerInnen allerdings dafür, die Streitchefs abzuschaffen und 2 erwachsene Problemchefs einzuführen: Nina und Solveig. Es hat sich gezeigt, dass die Problemchefs bestimmte Kompetenzen haben sollten:
– Alle müssen auf sie hören.
– Sie dürfen kein persönliches Interesse am Streitwert haben.
– Sie müssen alle Informationen über Bienenland haben.

Mit den neuen Problemchefs können sich die BienenbürgerInnen entspannen. Die langen Versammlungen werden reduziert. Man ist allgemein zufrieden.

BienenbürgerInnen tauschen gerne ihre Namen. Tauschen sie mit einer Problemchefin, tauschen sie allerdings ausdrücklich nur den Namen, nicht aber die Verantwortung.

Es gibt vorerst keine Chefs für unangenehme Aufgaben.

BienenbürgerInnen besuchen gerne andere Länder und freuen sich, die dortigen Gebräuche zu entdecken. Auch über kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten freuen sie sich immer.

Das Bienenland lebt, so lange andere Länder es schützen und akzeptieren.

Das Projekt „Wo die wilden Bienen wohnen II“ ist eine Kooperation von: Kinder- und Jugendkulturwerkstatt JOJO, Quartiersmanagement Leipziger Osten, 16. Oberschule Leipzig, Human Care/ Asylbewerberheim Torgauer Straße. Es wird gefördert durch den Bundesverband freier Theater im Programm tanz + theater machen stark.

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„I think you forgot me“ – #merkelstreichelt

„I think you forgot me“ – so begrüßte mich am letzten Mittwoch ein schwer von Narben gezeichneter Mann im Asylbewerberheim in der Torgauer Straße. Wir hatten uns schon mal unterhalten. Er lächelt fortwährend, spricht überaus freundlich auf englisch, er ist allein in Deutschland und sucht dringend eine Wohnung. Vor einigen Wochen bat er mich dabei um Hilfe. Ich sagte ihm, dass ich mich umhören würde, ihm aber nichts versprechen könne, denn solche Gespräche führe ich immer wieder, und ich habe leider einfach keine Wohnungen. Und auch nicht die Kapazitäten, allen die fragen bei der Wohnungssuche zu helfen. Ich schaffe es nicht. Es sind zu viele.

Zu viele? Moment mal!

„Wenn wir jetzt sagen “Ihr könnt alle kommen”, und “Ihr könnt alle aus Afrika kommen” und “Ihr könnt alle kommen”, das können wir auch nicht schaffen.“ Quelle: Leitmedium

Einen Tag später ging das Video des Gesprächs zwischen der Bundeskanzlerin und einem Mädchen mit Fluchthintergrund durchs Netz. Und ich sage es mal andersrum als viele andere: Sie war keinen Deut besser als ich.

Natürlich  hat sie in ihrer Position einen größeren Gestaltungsspielraum, und ich freue mich sehr, wenn die katastrophale Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ins Blickfeld gerückt wird. Wenn der hashtag #merkelstreichelt trendet, steckt da neben wichtiger Kritik aber auch richtig viel Schadenfreude drin. Man gönnt es der Merkel, jetzt PR-mäßig mal schön in der Klemme zu stecken. Ich gönne es ihr auch, immer druff.

Unangenehm ist mir aber, dass das Bild eines Mädchens, das seinen Standpunkt mutig und eloquent vertreten hat, jetzt als „weinendes Flüchtlingsmädchen“ rumgereicht wird. Unangenehm ist mir auch der Gedanke, dass der eingangs erwähnte Mann mit seinen sichtbaren und unsichtbaren Narben vermutlich nicht dazu taugen würde, Merkel derart in Verlegenheit zu bringen. Und der angetrunkene Mann, der 2 Bänke weiter saß sowieso nicht. Kein gutes Kameramaterial.

Wir freuen uns, dass echtes menschliches Fühlen eine PR-Aktion sprengt? Ich bin dabei! Aber das sollte dann bitte auch menschliche Folgen haben: Nicht ähnliche PR aus der anderen Richtung.

Das kann es doch nicht gewesen sein.

PS: Der Moderator des Gesprächs, Felix Seibert-Daiker, war spitze!

Der „Ich bin eine Biene – Schock“

Ich bin nicht so „pädagogisch pädagogisch“. Ich finde es nicht schlimm, wenn Kinder mal ihr Handy in der Hand haben, und die meisten Schimpfwörter sage ich vor ihnen. Und ganz sicher ist youtube kein Weltuntergang. Anders als manche (immer seltenere) Kollegen, denke bzw. weiß ich, dass draußen spielen und Playstation zocken sich nicht ausschließen müssen. Und ich halte auch nichts von „früher war alles besser“ – jede Generation ist für irgendjemanden die verlorene Generation. Wenn mir also jemand erzählt, dass die Kinder heutzutage alle von Pornografie beeinflusst sind, dann denke ich erstmal „jaja, mal gucken, was mir die Kinder selbst erzählen“.

Der „Ich bin eine Biene-Schock“ hatte einen langen Vorlauf. Im Projekt „Wo die wilden Bienen wohnen“ arbeiten wir insbesondere in der Schule mit Kindern der Klassenstufen 5/6, und wir bekamen schnell mit, dass viele Bienen witzig fanden. Immer wieder fiel der Satz „Ich bin eine Biene!“, gefolgt von viel Gekicher. Irgendwann nach 8 Monaten dann auch mal gefolgt von „Du wirst gefickt!“

Naja, schräg, dachte ich, erzählte es einer Bekannten, die lachte und verwies auf youtube. Ich klickte, schaute und war geschockt.

Vielleicht ist das ja schon durch, und alle außer mir haben sich schonmal aufgeregt. In dem Video sieht man eine Biene, die eine Blume „bestäubt“, und zwar gegen den Willen der Blume. In der Schlusssequenz sieht man die Blume unter der Dusche, die sich ausgiebig duscht und weint. Sie fragt: „Warum hilft mir denn keiner?“ Das ganze schön kurz und als Zeichentrick, perfekt für 12-jährige, die im Wesentlichen das Wort „gefickt“ hören, und das als Gruppe superlustig finden.

Ich verlinke hier, nur falls sich jemand selbst ein Bild machen möchte.

Das ist eine so plumpe Anspielung auf Opfer sexueller Gewalt, dass ich beim besten Willen keine künstlerische Intention erkennen kann.

Natürlich habe ich das Video gemeldet, aber das ist ja nur die erste Reaktion, und viel passiert da nicht. Bei über 6.000.000 Likes bin ich da vermutlich nicht die erste.
Ich habe auch versucht, mit den Kindern darüber zu reden, aber es ist sehr schwer, nicht als die zensierende Erwachsene, die Spielverderberin wahrgenommen zu werden. Letztendlich gibt man da vielleicht eine kleine Anregung. Aber wieviele ähnliche Videos sind noch in Umlauf?

Ich will auf youtube nicht nur pädagogisch wertvolle, keimfreie Videos. Von mir aus können auch zig Zeichentrickfiguren zum Vergnügen der 12-Jährigen „ficken“ rufen. Aber dieses Video macht mich krank. Vielleicht melden ja noch ein paar Leute. Kann man machen.

Schwarzweiß – Über den „Normalzustand“ in Sachsen

Die folgenden Zitate enthalten rassistische/beleidigende Begriffe. Ich gebe diese so wieder, wie ich sie gehört habe, um die Situationen präzise beschreiben zu können. Die konkreten Situationen verkürze und verändere ich in Bezug auf alles, was die beteiligten Personen betrifft.

3 Erlebnisse aus dem Leipziger Land

1. Ein Kind erzählt mir von einem Kostümfest, an dem es teilgenommen habe. Ich frage, als was sich seine Gruppe verkleidet habe. Der Junge antwortet arglos: „Als Neger.“ Sie hätten sich schwarz angemalt und Früchte umgehängt.

2. Mit einer anderen Kindergruppe mache ich eine „Umfrage“ im Ort. Wir befragen die Verkäuferinnen beim Bäcker und im Schreibwarenladen. Als wir wieder draußen stehen kräht ein Kind: „Solveig, können wir noch zum Negerfidschi?“

3. Eine Schule erhält den Titel „Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage“. SchülerInnen wie LehrerInnen haben sich viel Mühe gegeben. Allerdings sind alle Menschen an dieser Schule weiß – keine Besonderheit in Sachsen. Deshalb wurden extra Gäste eingeladen: Einige Jugendliche mit dunkler Hautfarbe stehen mit auf dem Schulhof. Offensichtlich kennen sie niemanden persönlich, bleiben unter sich.

Es ist leicht, als arrogante Städterin über Alltagsrassismus zu belehren und zurück nach Leipzig zu fahren. Sachsen hat ein Rassismus-Problem, das ist auch im Kontext der aktuellen Geschehnisse in Freital und Meißen nicht zu übersehen. Die obigen Beispiele sind anders gelagert, zeigen das aber ebenfalls sehr gut. Aber wie sinnvoll mit solchen Situationen umgehen? Wie kann ich abends Texte über critical whiteness lesen, und dann am nächsten Morgen an einer komplett „weißen Schule“ über Rassismus sprechen?

So richtig einfach ist das nicht, das merke ich schon allein daran, wie oft ich diesen Text überarbeite – selbst nach der Veröffentlichung. Aber wie habe ich denn reagiert, spontan im jeweiligen Moment?

1. Situation – ich war geschockt, zugleich war für mich offensichtlich, dass dem Jungen überhaupt nicht klar war, was er da äußerte und in welcher Tradition das stand. Zum Glück hatten wir Zeit. Ich habe also in aller Ruhe erklärt. Das Kind wird sich zumindest erinnern.

2. Situation – hier sah es anders aus: Ich wurde laut und stellte klar, dass ich sowas nie wieder hören wolle. Die Reaktion des Kindes sagt mir, dass im Prinzip schon klar war, dass „man das nicht sagt“. Aber auch, dass es wieder gesagt werden wird, wenn auch nicht in meiner Anwesenheit. Also habe ich nicht viel erreicht.

3. Situation – ich habe lediglich beobachtet. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich habe tatsächlich immernoch keine Idee, was ich in der konkreten Situation sonst hätte tun können. Einen Weg mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und gleichzeitig meine Arbeit zu machen habe ich nicht gesehen. Und ob das eine Lösung gewesen wäre, weiß ich auch nicht.

Sicherlich sind die drei Situation strukturell verschieden. Aber für mich zeigt die wohlmeinende Hilflosigkeit der Schule, die alles mit bester Absicht tut und sich immerhin überhaupt engagiert (und das ist in Sachsen so wichtig!!!), dass es ein ganz offensichtliches Problem gibt: Die echte persönliche Erfahrung fehlt. Weiß sein ist in der sächsischen ländlichen Umgebung oft der faktische Normalzustand.

Natürlich können LehrerInnen dann über Toleranz sprechen. Aber so lange diese LehrerInnen selbst noch nicht die Erfahrung gemacht haben, dass „schwarz“ nicht gleich „Ausländer“ ist, dass verschiedene Kulturen natürlich Kompromisse auf beiden Seiten erfordern und es trotzdem an 1., 2. und 3. Stelle immer nur um Empathie geht – so lange bleibt auch ihr Reden eher unauthentisch und abstrakt.

Da bleibt nur: Einmal mehr Diversity nach Sachsen, bitte. Am besten doppelt so viele refugees wie bisher, und natürlich gute Fachkräfte um den endlich, ENDLICH einsetzenden Prozess zu moderieren. Damit Erfahrungen gemacht und verarbeitet werden können. Damit viele Dinge, die in Sachsen passiert sind (Freital, Meißen, Zwickau, Hoyerswerda, Dresden, Leipzig, Mügeln und und und) nie wieder passieren.

Damit ich nie wieder erklären muss, warum man bestimmte eingangs zitierte Wörter nicht benutzt.

refugees sprechen für sich selbst!

Die GfZK war am Wochenende eingeladen, das Projekt „kennen.lernen“ beim Festival „INTERVENTIONEN – refugees in art and education“ vorzustellen, und so konnte auch ich mitfahren und ein wenig von anderen Kulturprojekten mit Geflüchteten erfahren. Oder besser: Von Kulturprojekten von Geflüchteten.
Denn was ich gesehen und sehr genossen habe, waren eine ganze Reihe von Gruppen von refugees, die für sich selbst gesprochen haben, die ihre eigenen Themen setzten und sich ganz bewusst selbst organisierten. Sehr präsent ist mir dabei die Präsentation des Refugee-Club-Impulse geblieben:

„Sie wollen den refugees immer eine Stimme geben, aber wir haben schon eine Stimme. Die hört nur keiner.“ (aus dem Gedächtnis zitiert)

Eine absolut berechtigte Kritik, die es wirklich in sich hat: Jemandem eine Stimme zu geben, setzt voraus, dass diese/r keine Stimme habe und birgt die Möglichkeit, sie ihm/ihr auch wieder zu nehmen. Was legitimiert KünstlerInnen und PädagogInnen, diese Position einzunehmen?

Und gleichzeitig: Ist es nicht die Verantwortung von KünstlerInnen und PädagogInnen, die Möglichkeit zu schaffen, gehört zu werden? Ist es nicht unsere Aufgabe, gewissermaßen als gesellschaftliches Korrektiv, Räume des Zuhörens zu eröffnen?

Und wo bleibt dabei mein eigenes Erleben? Kann ich mich überhaupt so weit zurücknehmen?

Das alles ist ein schmaler Grat. Den von einer Gruppe selbstbewusster Menschen vor die Füße geknallt zu bekommen, war super. Man verliert sich mit seinem deutschen Pass dann doch schnell im Dschungel der Lokalpolitik, der Unterbringungskonzepte und Wohnungssuchen. Man fühlt sich schnell als sehr guter Mensch, weil man sich damit befasst. Und dann sitzt da diese Gruppe und macht kurzen Prozess: Wir reden selbst. Wir wollen gehört werden. Es geht nicht um Kleinkram – es geht um Menschenrechte. Punkt.

 

 

Leipziger Osten: Über Initiativen, Schlägereien und internationale Kontakte

Seit ca. 2 Jahren bin ich öfter mal im Leipziger Osten.
Ich gehe über die Eisenbahnstraße, esse vorzüglichen Döner, beobachte die Menschen, die so anders sind, als in den Hipsterghettos, in denen all meine Freunde und ich wohnen. Und manchmal muss ich lachen – vor allem wenn ich an den ProSieben-Bericht zur „schlimmsten Straße Deutschlands“ denke. Obwohl ich mich sehr über den latenten Rassismus, die mangelhafte Recherche und überhaupt alle Aspekte des Filmchens geärgert habe.

Vor einiger Zeit habe ich mir dort auch eine Wohnung angesehen. Ein Erlebnis der besonderen Art war der Makler, der nicht müde wurde mir zu erklären, dass „in Kreuzberg vor 10 Jahren auch noch keiner hätte wohnen wollen“, dass hier gerade „alle Wohnungen gemacht würden“, und dass „Ausländer völlig normale Leute“ wären. Auf meine Anmerkung, ich hätte ein größeres Problem damit, unter Rassisten zu wohnen, reagierte er nicht. Die Wohnung steht bis heute leer.

Wie ich aus der Ferne (Südvorstadt) mitbekam, ging es dann am letzten Wochenende mal wieder ordentlich ab auf der Eisenbahnstraße. Massenschlägerei mit 40-50 Personen, Eifersuchtsdrama, Verletzte. Die Bild-Zeitung berichtete gern.

Was dabei oft zu kurz kommt: Der Leipziger Osten hat in erster Linie ein Problem, und das heißt Armut. Rund um die Eisenbahnstraße leben über 55 % der Kinder von Sozialgeld.

Das bedeutet natürlich auch günstige Mieten und viel Raum für Ideen – anders als im Süden und Westen gibt es hier noch leer stehende Häuser, Kinder, die nicht Geige spielen können, kurz: große Gestaltungsspielräume. Im Projekt „Wo die wilden Bienen wohnen“ genießen wir das sehr.

Und genau dieses Projekt durfte ich am letzten Mittwoch vorstellen: Im Arbeitskreis Ost. Hier treffen sich die Akteure, die den Leipziger Osten gestalten wollen, also soziale und kulturelle Träger, Stadtteilvereine, Initiativen etc. Und das sind ganz schön viele! Tatsächlich war es hochinteressant zu sehen, wer sich alles engagiert. Und auch ein bisschen schade, dass etwa die Moschee nicht vertreten war.

Meine Mission an diesem Tag: Für die zweite Projektrunde des „Bienenlands“ suchte ich andere Staaten, also organisierte Einheiten, die mit dem Bienenland internationale Kontakte pflegen wollen. Das können übrigens auch „Staaten“ sein, die auf diesen Artikel gestoßen sind und mehr über das Bienenland erfahren wollen. (Wir können gemeinsam überlegen, wie das aussehen könnte.)

Bei der Projektvorstellung wurde viel gelacht, es herrschte auch ein wenig Verwirrung. Wann sind wir ein „Staat“? Im Anschluss an das Treffen kam ich mit ganz unterschiedlichen Personen ins Gespräch, gemeinsam entstanden erste Ideen, man war offen für das Gedankenspiel. Ich denke, es ist genau diese Atmosphäre, die Kreative in den Osten lockt. Es macht Spaß, gestalten zu können.

Ist das die Eisenbahnstraße, die mit Drogen, Schlägereien und Gewalt Presse macht? Oder die Eisenbahnstraße mit dem „hohen Ausländeranteil“? Oder ist es doch längst eine Spielwiese für deutsche Engagierte, die Spielräume brauchen?

Es wird eine Herausforderung bleiben, diese Facetten unter einen Hut zu kriegen. Es zu schaffen, dass die organisierten „GestalterInnen“ nicht alle weiß sind. Dass von Armut betroffene, wenig gebildete Menschen nicht einfach irgendwann verdrängt werden. Dass Bild und ProSieben das Interesse verlieren. Dass Engagement gemeinsam erfolgt. Und die Makler das dann nicht zu schnell verkaufen.

In diesem Sinne: Besucht uns im Bienenland! Wir versuchen miteinander zu sprechen: Auf kurdisch, arabisch, deutsch, serbisch… was immer ihr wollt. Im Juni geht es weiter. Bis bald!

„Wo die wilden Bienen wohnen II“ im Rahmen des Programms tanz + theater machen stark des Bundesverbands Freier Theater e.V.

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Bündnisse für Bildung – Verbesserungsvorschläge

„Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“ – mit diesem Programm fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung über verschiedene Zwischenschritte Kooperationen, die benachteiligte Kinder und Jugendliche über kulturelle Bildung stärken. Das Programm ist mit 230 Millionen € über 5 Jahre ein wichtiges Förderprogramm – mehr dazu auf der  Seite des Ministeriums.

Demzufolge habe ich inzwischen auch schon in Projekten des Programms gearbeitet, bzw. sogar selbst (zusammen mit Katharina Wessel) ein Projekt entwickelt: „Wo die wilden Bienen wohnen“. Die Durchführung war und ist schwierig, manche Eckpunkte erscheinen mir nicht sinnvoll. Deshalb hier meine Verbesserungsvorschläge direkt aus der Doppelperspektive Projektleitung – Künstlerin/ Honorarkraft.

1. Wenn künstlerisches Denken und Handeln benachteiligte Menschen fördert, dann muss im Mittelpunkt eines Projekts in diesem Programm auch die Entwicklung eines guten künstlerischen Konzepts stehen. Damit einher geht dann auch die Aufwertung der KünstlerInnen, die im Projekt mitarbeiten. Derzeit bleibt ihnen zumindest offiziell nur die Rolle der „Honorarkräfte“. ABER: Keine Kunst ohne Künstler. Die Konzeptentwicklung muss gefördert und bezahlt werden.

2. Dasselbe gilt für das Bündnis. Es ist nicht so, dass MitarbeiterInnen aus Institutionen der Bildung und Kultur unausgelastet ihren Schreibtisch polieren. Wenn es vor dem Programm noch nicht genügend Kooperationen gab, dann braucht es eben nicht nur Projektgelder (für Honorarkräfte, Material, die Umsetzung der konkreten Idee), sondern auch Geld und Formate, um tragfähige Bündnisse zu schmieden. Wie kann wer wo gut zusammenarbeiten? Und zu welchem Zweck? Das erfahren wir nicht durch Projektgelder.

3. Die KünstlerInnen sind Honorarkräfte. Die Institutionen bilden ein Bündnis, bündeln ihre Mittel und Kompetenzen. Aber wer kümmert sich ums Geld? Laut Förderer ist dafür der beantragende Kooperationspartner zuständig. Doch die wenigsten Institutionen sind so gut ausgestattet, dass sie hier wirklich mit den KünstlerInnen zusammenarbeiten können. Ein prozessorientiertes Arbeiten, dass sich am künstlerischen Konzept orientiert, braucht enge Absprachen. Wann setzt sich endlich die Idee einer professionellen Produktionsleitung auch für Kunst mit Kindern und Jugendlichen durch?

In der „Erwachsenenkunst“ ist das längst anerkannt: Produktionsbüros wie ehrliche arbeit betreuen KünstlerInnen bei der Umsetzung der Projekte und bilden einen maßgeblichen Erfolgsfaktor. Im Programm „Doppelpass“ der Bundeskulturstiftung ist die professionelle Produktionsleitung inzwischen Voraussetzung für die Förderung. Auch hier geht es um Kooperationen, allerdings von festen Institutionen mit freien Künstlergruppen. Fakt ist: Wenn wir alle 3 Förderphasen mit unseren wilden Bienen durchlaufen haben, werden wir um die 40.000 € aus Steuergeldern ausgegeben haben. In der „Erwachsenenkunst“ würde das m.E. niemand mehr ohne Produktionsleitung händeln wollen.

4. Wir haben uns nun mit allen verwaltungstechnischen Details abgefunden, trotz guter Honorare unbezahlte Überstunden angehäuft, und dann… kommt die Ernüchterung: Die kommen nicht!

Erreicht werden sollen benachteiligte Kinder und Jugendliche im außerschulischen Bereich. Und die kommen oft einfach nicht.

Wenn man mit wirklich benachteiligten Menschen arbeitet, dann lernt man schnell: Das funktioniert nur über Beziehungsarbeit. Hier geht es um Menschen, die mit Institutionen schlechte Erfahrungen gemacht haben, die strukturiertes Arbeiten zum eigenen Vergnügen nicht kennen, denen Schriftlichkeit, Regeln und Formulare manchmal Angst machen. Die oftmals wenig Grund haben, zu vertrauen. Sich auf einer TeilnehmerInnen-Liste einzutragen kann eine schwere Entscheidung sein. Oder, wie im Bienenprojekt: Man möchte schon, aber man kann seinen Nachnamen „nur“ auf arabisch schreiben. Die Beziehungsarbeit, die benachteiligte Menschen in Projekte holt, wird von Honorarkräften geleistet, und sie muss endlich anerkannt werden. Wir besuchen die Menschen im Asylbewerberheim auch mal außer der Reihe. Helfen beim Umzug. Werden zum Essen eingeladen. Das kann man nicht unbedingt in einer Honorarabrechnung abbilden und bezahlen. Aber man kann verstehen, dass es Zeit braucht, und es nicht ab der 3. Projektwoche eine lange TeilnehmerInnen-Liste gibt. Starre Regeln sind genau das, womit benachteiligte Menschen schlechte Erfahrungen haben. Ein Programm zu entwickeln, dass der Zielgruppe hier entgegen kommt, wäre eine beachtliche Leistung und ein toller Fortschritt.

Das sind meine Vorschläge. Wer wird das hier lesen?

Das Bundesministerium spricht mit Verbänden. Die verteilen das Geld weiter an Institutionen. Ich bin letztendlich und auf dem Papier Honorarkraft. Auch als offizielle Projektleitung. Auf Tipps, wie ich mich über dieses Blog hinaus äußern könnte, freue ich mich sehr.