Gegen die Schweinokalypse

„In #Leipzig gibt es einen #Kindergarten, der hat jetzt allen #Deutschen das #Schweinefleisch #verboten, sogar die #Gummibärchen, weil da Schwein drinne ist, unmöglich, das deutsche Schnitzel ist in Gefahr #schnitzelingefahr und deshalb kommt da jetzt der #Poggenburg und dann gibt es eine #Spontandemo und es regt sich auch schon #Widerstand, 5000  #Antifas wollen morgen zur #Gegendemo anreisen, sicher brennen dann wieder #Autos, wie so oft in der linksradikalen #Südvorstadt, denn dann haben wir die magischen drei Zutaten für eine gute deutsch-sächsische Geschichte zusammen: Schweinefleisch, Extremismus-Theorie und Autos. Juchei, so macht #Wahlkampf Spaß!

#schnitzelingefahr

Ich erspare euch die tatsächlichen Fakten (hat die überhaupt irgendjemand veröffentlicht?). Da ich neben besagten Kindertagesstätten wohne habe ich die verschiedenen Veröffentlichungen verfolgt. Ich bin schwer genervt. Von diesem ganzen destruktiven Aufmerksamkeitskarussell, auf das alle Beteiligten immer wieder aufspringen. Ich versuche es mal konstruktiv: Was für ein Verhalten hätte ich mir von allen Beteiligten gewünscht?

Die Kitas: Haben formal nichts falsch gemacht. Aber es wäre weitaus eleganter und aus demokratiepädagogischer Warte sinnvoller gewesen, bei der Entscheidung über das Essenangebot Angestellte, Eltern (und in meinem Traum sogar die Kinder) einzubeziehen. So, dass eine Entscheidung gefällt wird, die auch alle mit tragen. Dann muss man nämlich später keinen Rückzieher machen.

Presse: So sie berichtet, hält sie sich an die Fakten. Spricht nicht von „Verbot“, wo keines existiert. Und nennt keine Ortsangaben, sprich: nicht die Adresse der Kita, wenn die Stimmung eh schon aufgeheizt ist.

Natürlich könnte man sich auch entscheiden, dass andere Themen wichtiger sind – mit guten Gründen. Denn von einem Sommerloch kann dieses Jahr (leider) nicht die Rede sein…

Politiker_innen und Parteien: siehe oben

Poggenburg: Okay, hier fällt es mir schwer, mir was Konstruktives auszudenken.

Einfach mal konstruktiv denken

Aber eigentlich ganz einfach: Ein paar gut vorbereitete Elternabende und eine Öffentlichkeit, die ihrer Verantwortung gerecht wird. Ist das so sehr zuviel verlangt?

Idealistische Grüße… Ach, was weiß ich denn.

MDR Kultur trifft… mich

Gestern war ich bei MDR Kultur zu Gast und durfte mit Carsten Tesch ausführlich über das Amt für Wunscherfüllung und Vielleicht-Management sprechen. Manches beschäftigt mich noch immer, rumort in meinem Kopf, rumpelt vor sich hin. Für mich war es also auf jeden Fall ein anregendes Gespräch! Und ich bin gespannt auf euer Feedback.

Das Ganze als Podcast findet ihr hier:

https://www.mdr.de/kultur/podcast/trifft/index.html

Performativ entsorgt

- Ich wähle die AfD, ich habe schonmal erlebt, wie ein Staat zusammengebrochen ist. 
+ Was hat das konkret bedeutet? 
- Wie bedeutet? 
+ Was war anders? 
... 
- Ich durfte meine Sprache nicht mehr sprechen. 
(Gespräch mit Mann ukrainischer Herkunft)

Schon vier Jahre ist es her, da starteten meine Kollegin Katharina Wessel und ich das Projekt „Forum frei“. Wir beschrifteten 200 Sitzkartons mit diskriminierenden Zitaten aus Internetforen und bauten daraus eine Installation auf verschiedenen öffentlichen Plätzen in Leipzig und Halle. Die Menschen kamen vorbei, reagierten ganz unterschiedlich und einige der dann entstandenen Gespräche werde ich nie vergessen. Wenige Wochen später startete PEGIDA.

Gestern wurde die AfD mit 13% der Stimmen in den Bundestag gewählt, in Ostdeutschland waren es vielfach deutlich mehr, hier in Sachsen wurde sie sogar stärkste Kraft. Vorläufiger Höhepunkt einer Entwicklung, die wir vor vier Jahren nur als Schreckensszenario in Anträge geschrieben hatten. Und dennoch so vorhersehbar. Denn die gebrochenen Biographien, die laufen hier auf der Straße rum.

Wenn du Englisch lernen willst und das Amt zahlt das nicht, geh zu den Mormonen, Unterricht ist umsonst. (Gespräch mit älterem Mann)

Ich lebe in Leipzig-Süd, also auf der roten Insel Sachsens, und das passt ins Bild, denn ich bin ja Kulturschaffende. Da hatten wir nun also unsere Performance, hatten sogar unseren winzigen Mini-Shitstorm im LVZ-Forum („Kann es sein, dass das nur eine Marketing-Aktion der „Performance“-Firma Wessel&Hoffmann war, die außerhalb ihrer sonstigen Wirkungsstätte niemand kennt?“) und eine Menge Geschichten. Ja, ganz recht, Geschichten, denn das war die große Erkenntnis aus dem Projekt: Es ging immer nur an der Oberfläche um Meinungen. Darunter aber liegen Geschichten.

In den 90ern auf Usedom, da hat sich niemand um uns gekümmert. Ich war einfach nur nicht rechts, das reichte schon, damit die Nazis mich gejagt haben. - Und deine Eltern? - Die haben das nicht mitbekommen. - Aber was hast du denen denn erzählt, wenn du in eine Schlägerei verwickelt warst? - Wir haben uns doch gar nicht gesehen. Meine Mutter hat nur gearbeitet. Die hat mir nicht geglaubt. Erst als ihr Azubi einen Punker angezündet hat, hat sie mir geglaubt, was ich erzähle. Aber da war ich auch schon vorbestraft. (Gespräch mit jüngerem Mann)

Nicht alle der Menschen, die ich hier aus dem Gedächtnis zitiere, haben rechte Anschauungen vertreten. Aber sie alle haben lange von den 90ern erzählt. Von einer Zeit im freien Fall, ohne Ordnung. Manche haben, wie man so schön sagt, „die Kurve gekriegt“. Manche nicht. Manche bekamen eine Chance und nutzten sie. Andere arbeiten seit einem Vierteljahrhundert in prekären Jobs oder gar nicht.

Manche erinnern sich an Enttäuschungen, manche an Demütigungen. Möglicherweise ist das der schmale Grad, auf dem sich entscheidet, ob sich ein Mensch noch auf Demokratie einlässt.

Und es braucht eigentlich keine Performance, um diese Geschichten zu hören, es reicht, beim Sonntagsessen bei den Großeltern hinzuhören, beim Nachbarn nachzuhaken und sich ganz allgemein für andere Menschen zu interessieren. Ich selbst komme aus dem Westen und bin manchmal sehr schockiert, wie wenig Verständnis für die besondere Geschichte Ostdeutschlands hier vorzufinden ist. Natürlich, der Säxit, klasse Idee, wir lassen Sachsen einfach hinter uns, haha! Ostalgie, verstehen wir nicht, da gab es doch gar keine Reisefreiheit! Und überhaupt, die Ossis haben doch Kohl gewählt, das war eben dämlich!

Die Kommentare zur Wahl atmen einen ähnlichen Geist. Wie können die demokratischen Parteien Wähler_innen zurückgewinnen, fragt man sich da. Gar nicht! Zurückgewinnen kann man nur, was man schonmal hatte. Und viele Menschen sind bis heute ins politische System der BRD nicht integriert.

Das alles ist dennoch keine Entschuldigung, rechtsradikal zu wählen oder zu handeln. Ich habe KEIN Verständnis.

Die Frustration dahinter, die verstehe ich aber schon. Und das sind keine Sorgen und Ängste. Das ist Wut darüber, dass nie zugehört wurde. Der perfekte Nährboden für eine ekelhafte, rechtsradikale, menschenverachtende Protestpartei. Mit ihrem Gebrüll und Gehetze hat sie es geschafft, dass wir vier Jahre lang über Asylgesetze gesprochen haben, anstatt uns über das wirklich wichtige Thema zu beraten: Wie schaffen wir es, gleichzeitig die Geflüchteten und die Gedemütigten zu integrieren? Ich bin überzeugt, dass das möglich ist. Wenn wir es endlich versuchen würden.

Ich habe nichts gegen das Kopftuch, nur gegen die Burka. Ich mag das nicht, wenn ich Leuten nicht in die Augen gucken kann. In den 90ern habe ich bei Militärübungen der Amerikaner gejobbt. Einmal war ich der Bürgermeister von dem Dorf, das die sichern sollten. Und jeden Tag ging da der General rum und trug eine Sonnenbrille. Es war klar, wenn der zu mir kommt, sage ich ihm, dass er die absetzen soll. Er hätte das dann machen müssen, weil ich ja der Bürgermeister war. Aber an dem Tag, wo der zu mir kam, da hatte er die Sonnenbrille dann nicht auf. (Gespräch mit Mann Mitte 50)

Zurück zu unserer Performance – die ist aktuell wie nie und dennoch in die Jahre gekommen. Im Keller modern also seit Jahren hunderte rassistische Kartons, und wir wollen sie eigentlich nur noch loswerden. Deshalb werden sie jetzt performativ entsorgt. Diesen Prozess könnt ihr übrigens auf Facebook und Instagram verfolgen.

In gewisser Weise haben die Wähler_innen der AfD mit den demokratischen Parteien dasselbe gemacht: Wütend und schmollend und protestierend so gewählt, dass sich die Scheinwerfer gedreht haben. Leider nur bis zur AfD und nicht bis zu eben dieser Wählerschaft. Die den ganzen Prozess vermutlich auch selbst nicht so richtig reflektiert hat und damit keinen Schritt weiter ist als vorher. Aber Hauptsache: Performance. Hauptsache: Entsorgung. Demokratie? Sind wir nicht so richtig reingekommen, schmeißen wir in den Müll.

Kennen Sie schon die AfD? Die sind gut.
(derselbe Mann, zur Begrüßung, Oktober 2013)

Ehrenamtliche Helfer_innen gesucht!

– kulturpädagogische Arbeit mit geflüchteten Kindern –

Das Angebot
Jeden Dienstag treffen sich in den Atelierräumen der Initiative „Hildes Enkel“ Kinder, die entweder im Asylbewerberheim Torgauer Straße wohnen oder ehemals dort gewohnt haben. Gemeinsam gestalten wir unsere Zeit nach den Ideen der Kinder: basteln, malen, spielen, verkleiden oder etwas bauen. Die Erwachsenen sind in diesem Prozess unterstützende Möglichmacher_innen, gehen auf die Ideen der Kinder ein. Probleme in der Gruppe werden möglichst gemeinsam gelöst, dabei können im gemeinsamen Prozess auch unkonventionelle Lösungen gefunden werden. Für diesen Raum gibt es einen Namen: Das Bienenland.

Die Arbeit
Das Angebot umfasst nach Absprache die Abholung der Kinder in der Torgauer Straße, die gemeinsame Gestaltung des Nachmittags und das Zurückbringen der Kinder. Wichtig sind eine grundsätzliche Offenheit im Umgang mit Menschen und neuen Situationen und Geduld und Kreativität bei Übersetzungsprozessen.

Organisatorisches
Das Angebot findet immer dienstags nachmittags statt:
15 Uhr Treffen des Teams
16-17:30 Uhr Abholen der Kinder im Heim, Angebot im Atelier „Hildes Enkel“
ab 17:30 Uhr Zurückbringen der Kinder.

Alle zwei Monate gibt es zudem ein Treffen aller ehrenamtlichen Helfer_innen, um aktuelle Entwicklungen, Erfahrungen und Probleme zu besprechen.

Wer/Was steht dahinter?
Das Bienenland ist aus dem Projekt „Wo die wilden Bienen wohnen“ hervorgegangen, dass 1,5 Jahre von mehreren Trägern unter Leitung/nach einer Idee der Künstlergruppe „Performance-Firma Wessel&Hoffmann“ aufgebaut wurde.
Inzwischen hat sich das Bienenland zu einem regelmäßigen kulturpädagogischen Angebot entwickelt, das von Ehrenamtler_innen getragen wird. Betreut wird es von den Theater-/Kulturpädagoginnen Katharina Wessel, Solveig Hoffmann, Johanna Dieme, Kara Pegels und Bettina Salzhuber, von denen an jedem Termin mindestens eine anwesend ist und die zudem bei Problemen als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stehen.

Interesse?
Wir freuen uns sehr über Menschen, die Lust haben, das Bienenland kennenzulernen und evtl. zu unterstützen!

Kontakt: bienenland@eexistence.de

Ein Auftakttreffen für alle Interessierten wird es unter dem Titel „Freiwillig mit Kuchen“ am 21.10. um 15 Uhr im Atelierraum „Hildes Enkel“ geben: Hildegardstraße 49, 2. Stock.
Bei Kaffee und Kuchen können hier alle Fragen in persönlicher Runde geklärt werden.

Hier geht’s zur Facebook-Veranstaltung „Freiwillig mit Kuchen“.

Auf bald, wir freuen uns!

Randnotizen

Ein paar Notizen aus meinem Alltag – für mich als Materialsammlung, für euch, falls es interessiert. Dieses Mal mit einer sehr wütenden Dame, dem üblichen Verwaltungswahnsinn und dem Scheitern an meinen eigenen Ansprüchen:

Wilhelm-Leuschner-Platz, mein Sohn übt das freie Stehen, ich beobachte Leute. Plötzlich eine ältere Frau, gepflegt, schlohweißes Haar, brüllt: DAS SOLLEN IHR JETZT ALLE MAL ERKLÄREN, ES HAT NICHT IMMER RECHT, WER RUHIG BLEIBT, BRÜLL BRÜLL UND SO WEITER… Blick zum Sohn, den juckt es nicht. Die Frau steht inzwischen vor einem glänzenden BMW und brüllt weiter. Ich verspüre Lust, mitzumachen. Hat sie nicht irgendwie Recht?

Brief vom Finanzamt, man mahnt meine Steuererklärung 2016 an. Die ich erst machen kann, wenn das Finanzamt 2015 abgeschlossen hat, denn erst dann wird mein Elterngeld abschließend berechnet, und daraus ergibt sich mein Einkommen. Das ich vermutlich gar nicht vesteuern muss, weil zu niedrig. Davon hängt dann wieder ab, was ich von meiner Krankenkasse zurückbekomme. Und muss ich das dann auch nochmal angeben? Mein Kopf ist mit Knoten gefüllt.

Spielplatz I: Sitze mit einer anderen Mutter im Sandkasten, wir quatschen. Außer uns sind nur Väter mit Kindern da. Aber die sitzen alle einzeln.

Spielplatz II: Ein kleiner Junge stellt sich vor mich hin und fragt, warum ich meine Kirschkerne ins Gebüsch werfe. Ein Gespräch entwickelt sich. Er findet die Bäume toll, wenn er groß ist, wird er mit einem Seil hinaufklettern und von Baum zu Baum steigen. Sein Papa kann das (bestimmt, Anmerkung d. Verfasserin) auch. Und und und. Ein zweites Kind kommt dazu. Ich gucke mich um und bin die einzige Erwachsene, die sich mit einem Kind unterhält. Frage: Ist es falsch, sich mit fremden Kindern zu unterhalten?

Zugfahrt Ruhrgebiet – Leipzig. Neben uns steigen 2 Teenager ein, Junge und Mädchen, die Mutter des Mädchens erklärt nochmal, wo sie aussteigen sollen. Junge spricht sehr laut, beide freuen sich auf ihren Urlaub. Unterwegs sprechen sie über Schwulenrechte, Bier und Kaffee und wie weit es noch ist. Woran habe ich sofort gemerkt, dass sie eine Behinderung haben? Ich freue mich, dass die beiden ihren Urlaub genießen und ihrer Schublade zumindest teilweise entsprungen sind. Und schäme mich, dass ich selbst innerlich sofort die Schublade aufgezogen habe.

Der I-Embryo

Die Inklusion ist ein Dauerthema.
Ein Menschenrecht, ein Prüfstein für das Bildungssystem, für die Gesamtgesellschaft. Zugleich ein mühseliges Geschäft für unterbezahlte Menschen und insbesondere Eltern, die nach der Geburt zu Sachbearbeiter_innen ihres eigenen Kindes werden (sollen, müssen, nicht wollen). Mareice Kaiser hat darüber auf ihrem Blog und in ihrem Buch ganz wunderbar geschrieben.
Und heute, da geht diese Nachricht um die Welt: Erstmals Gendefekt bei Embryo korrigiert. Offenbar gelang es den Forschern noch während der Befruchtung mit der so genannten Gen-Schere CRISPR den Gendefekt zu korrigieren. (vgl ebd.)

Das ist so science fiction-mäßig – ich kann mir beim besten Willen wirklich nur eine winzige Nagelschere vorstellen, mit der in einem bunten DNA-Strang herumgeschnippelt wird. Ich bin also offenbar völlig unqualifiziert, um zum technischen Hergang irgendetwas Sinnvolles beizutragen. Aber ich kenne Menschen mit und ohne (!) Behinderung. Ich kenne die sogenannten I-Kinder, die einen Integrationsstatus haben – bei manchen wundert mich das und ich mutmaße, ob die Wimpern bei irgendeiner Untersuchung in die falsche Richtung gezeigt haben. Und ob das nicht manchmal einer Schule auch ganz recht ist, den einzigen I-Platz an ein „falsche-Wimpernrichtung-Kind“ zu vergeben.

Dann kenne ich auch I-Kinder und Erwachsene, die schon so lange mit einem imaginären I über dem Kopf herumlaufen, dass sie davon geprägt wurden. Manchmal nerven die mich ganz schön, weil sie immer soviel Schlechtes erwarten. Wenn wir aber eine gemeinsame Ebene gefunden haben, dann sind das oft die spannendsten und interessantesten Menschen. Es lohnt sich also, so ein I beiseite zu boxen! In der Kulturpädagogik habe ich mit diesen I-Kindern oft viel Spaß gehabt. Weil die nämlich eine Menge zu erzählen hatten.

Und natürlich gibt es auch die Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen, zu denen ich auch schon Kontakt hatte, allerdings weniger intensiv. Was sich sicher auch nochmal ändern wird.

Wenn wir ehrlich sind, kennen wir also wahrscheinlich alle eine ganze Menge mehr Menschen mit irgendwelchen Einschränkungen, als wir uns im Alltag bewusst machen.

Und nun denke ich wieder an die hochwissenschaftliche Nagelschere und das Reparieren all dieser Behinderungen. Und ich versuche fair zu sein: Natürlich würde ich all diesen Menschen von Herzen gönnen, einfach keinerlei Einschränkungen zu haben. Gäbe es eine Welt, in der wir alle Embryos komplett gesund schnippeln könnten, in der kein einziger aussortiert und abgetrieben würde, wo die ganze Technik ausschließlich zu gesund geborenen Kindern führen würde – wer würde sein eigenes Kind davon ausschließen wollen? Wer würde sich selbst als Elternteil davon ausschließen wollen?

Mal abgesehen davon, dass die Welt eben nicht so ist, macht mir aber nun ein anderer Aspekt große Angst: Was macht eine solche Technik mit unserer menschlichen Fähigkeit, uns mit Veränderungen, gescheiterten Ideen, Enttäuschungen auseinanderzusetzen und Neues daraus zu entwickeln?

Ich habe den Eindruck, dass die Nobelpreis-verdächtige Nagelschere im DNA-Strang in erster Linie etwas anderes wegschneidet, als die Behinderung, nämlich die an sich geniale Fähigkeit unserer Gehirne, immense Anpassungsleistungen zu vollbringen. Wir verschieben den Anspruch mit einer körperlich/geistig/seelischen Veränderung klarzukommen ins Private, wo Menschen damit verständlicherweise völlig überlastet sind. Anstatt endlich mal daran zu arbeiten, die Fähigkeit zur Unterschiedlichkeit zu trainieren, deren Mangel uns letztendlich alle im Wortsinn behindert.

Mir tun auch all die Nicht-I-Kinder leid, wenn sie in eine Gesellschaft geboren werden, die sie nur gesund, intelligent, schlank, beweglich usw. akzeptiert. Sie alle (auch ich) könnten morgen einen Unfall haben und plötzlich auf die Seite der I-Kinder wechseln. Ihr Wert ist an unsichtbare Spinnweben geknüpft, an die Vorstellung von „das funktioniert“, „das kenn ich, das ist vertraut“, von „darauf bin ich stolz“. Diese Spinnweben können so leicht reißen, und dann müssen sie und ihr ganzes Umfeld von vorn anfangen.

Viele schaffen das. Manche verzweifeln. Das ist kein persönliches Versagen, sondern Spiegel einer Leistungsgesellschaft, die es verlernt hat, Menschen in ihrer Nicht-Perfektion anzunehmen. Und die deshalb meiner Meinung nach immer mit einem Bein in der Depression steht.

Und da hätten wir natürlich eine Volkskrankheit, an der auch sehr sehr viele Nicht-I-Kinder leiden.

 

 

 

 

 

(Soziokultur) Kunst mit normalen Menschen.

Soziokultur ist ein Wort, das ich nicht mag.
Soziokultur ist ein Wort, das Kulturinstitutionen einem hinterherrufen, wenn man nicht so toll tanzen kann wie die richtigen Künstler_innen. Soziokultur ist ein Wort, zu dem rotbackige Flüchtlingskinder mit Hartz IV-Senior_innen im Chor Trickfilme schnitzen. Vor allem aber ist Soziokultur ein Wort, dass ich nicht verstehe.

Das mag daran liegen, dass der Begriff in meinem Studium der Theaterwissenschaften kein einziges Mal aufgetaucht ist; weder im Seminar über Arne Sierens und Alain Platel, die beide mit nicht professionellen Schauspieler_innen gearbeitet haben, noch im Seminar über Kinder- und Jugendtheater, schon gar nicht im Zusammenhang mit den zahlreichen Bürgerchören von Einar Schleef bis Volker Lösch. Und ich höre den unausgesprochenen Satz förmlich in meinem Kopf: „Das ist doch keine Soziokultur! Das ist doch richtige Kunst!“ Auch in den Erziehungswissenschaften spielte die Soziokultur keine Rolle, höchstens wurde die kulturelle Bildung mal kurz gestreift. Zurecht, denn Fragen von Erziehung und Sozialisation können zwar wie alle gesellschaftlichen Fragen in der Kunst aufgegriffen werden, nicht aber ist es Aufgabe der Pädagogik, Einfluss auf die Kunst zu nehmen. Damit verlöre die Kunst ihren zweckfreien Charakter, und der sollte uns allen heilig sein.

Was also soll das sein: Soziokultur? Die Bundesvereinigung soziokultureller Zentren erklärt es netterweise gleich auf ihrem Internetauftritt: „Der Begriff Soziokultur beschreibt aber auch eine kulturelle Praxis mit starkem Gesellschaftsbezug, die sich auf sehr verschiedene Weise realisieren kann, immer entlang der aktuellen lokalen Bedürfnisse und Gegebenheiten.“ Und Wikipedia erklärt ganz ähnlich: „Soziokultur ist auch ein Fachbegriff der Kulturpolitik. Er bezeichnet hier eine direkte Hinwendung von Akteuren und Kultureinrichtungen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und zum Alltag.“

Nun gut. Vor vielen Jahren wurde ich mal im Centraltheater gefragt, was ich später mal machen wolle und antwortete spontan: Kunst mit normalen Menschen. Das war natürlich salopp und trotzdem irgendwie richtig, und nach einigermaßen gründlicher Abnutzung durch bürokratische Förderstrukturen frage ich mich inzwischen schon, welchen Begriff man sich für diesen meinen Plan noch hätte einfallen lassen können: Normalokunst? (Übrigens schreibe ich gerade Centraltheater und nicht Spinnwerk, denn sonst werde ich ja doch wieder ins Nichtschwimmerbecken eingeordnet, und auch wenn ich nicht tanzen kann, schwimmen schaffe ich schon. Aber ich schweife ab.)

Wenn die „direkte Hinwendung von Akteuren und Kultureinrichtungen zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und zum Alltag“ in der Kunst als Soziokultur bezeichnet wird, woher kommt dann das Unbehagen, das ich unter Kolleg_innen und in den Institutionen hier in Leipzig immer wieder wahrnehme? Wieso soll ich dann in jedem zweiten Antrag die gesellschaftliche Relevanz des Projekts erläutern – mich aber ganz klar zwischen den jeweils zugeordneten Fördertöpfen und Institutionen der Soziokultur respektive Hochkultur entscheiden? Und wieder die Begrifflichkeiten: Soziokultur und Hochkultur, really? Wäre ein besseres Wort für meine Normalokunst dann vielleicht Tiefkultur?

Natürlich geht es hier einfach um die Abgrenzung von Elite von eben den „Normalos“, und wenn die Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren diesen Gegensatz als inzwischen „weitgehend überholt“ beschreibt, dann ist das niedlich. Niedlich deshalb, weil kein Vertreter der Hochkultur auf die Idee käme, sich dergleichen einfach mal ganz oben auf den eigenen Web-Auftritt zu schreiben. Weil es hier einfach nicht als relevant empfunden wird, weil es möglicherweise einen Bedarf gibt, sich abzugrenzen, weil weil weil. Und ja, niedlich ist auch, wie auf Wikipedia die Anfänge der soziokulturellen Zentren beschrieben werden: „Friedens-, Umwelt-, Frauen- oder Jugendzentrumsbewegung suchten nach Freiräumen, die sie häufig in alten Fabriken fanden.“ Also genau die Bewegungen, die sich sowieso lange hinten anstellen durften wenn es um Geld und gesellschaftliche Anerkennung ging, die suchten sich dann auf eigene Faust ihre alten Fabrikhallen um unterfinanzierte Kunst zu machen. Man könnte sich mit ihnen solidarisieren, einfach weil das die Freiheit aller stützen würde, sich öffentlich und kreativ zu betätigen. Aber man kann natürlich auch an „Umwelttheater“ denken. „Friedensperformances“. Oder, Gott sei meiner Seele gnädig: „Frauenkunst“. Dann doch lieber Elite sein?

Bei all dem klärt sich für mich aber immer noch nicht, warum die „Hinwendung zur gesellschaftlichen Wirklichkeit und zum Alltag“ einen gesonderten Begriff benötigt. Ist Hochkultur etwa nur jene Kunst, die sich von der gesellschaftlichen Wirklichkeit abwendet?

Nun, vielleicht sind die sogenannten soziokulturellen Projekte an dieser Stelle ja wirklich näher dran. Einige Beispiele aus der eigenen Praxis: 2013 starteten Katharina Wessel und ich das Projekt „Forum frei“, damals gefördert unter anderem durch den Fonds Soziokultur. Unser ästhetisches Material: Menschenverachtende Kommentare aus Internetforen. Ein Jahr später ein Thema, das von Heiko Maas und vielen anderen groß entdeckt wurde. Plötzlich in viel größerem Umfang förderfähig. Wir waren „zu früh“. 2014, wir starten im selben Team das Projekt „Wo die wilden Bienen wohnen“, gründen kurz darauf einen Staat mit geflüchteten und nicht geflüchteten Kindern, das Ganze gefördert durch „tanz+theater machen stark“, einen Topf zur Förderung benachteiligter Kinder. Jetzt, 2017, ist die Staatengründung ein beliebtes Motiv auf deutschen Bühnen. Auch unsere Kolleg_innen von friendly fire haben ihren Staat gegründet. Mit anderer thematischer Gewichtung, mit Erwachsenen, mit Förderung der Hochkultur. Schöne Sache. Aber durften und konnten wir unsere Idee, mit der wir vor drei Jahren anfingen zu arbeiten, nur deshalb entwickeln, weil wir den Auftrag hatten, uns nah an die Kinder uns ihre Lebenswirklichkeit heranzubegeben? Um den Preis, diese Kinder dann bitte auch zu fördern – denn wer frühzeitig nah rangeht, der kann ja dann gleich auch noch pädagogische Aufträge mitnehmen? Zweckfrei fördert die Soziokultur in der Regel nicht. Auch wenn sich das viele Akteure sicherlich wünschen.

Doch wenn wir durch das ganz nahe Herangehen, das ganz sorgfältige Kommunizieren tatsächlich besonders früh bestimmtes Material bergen und erarbeiten könnten – wie toll wäre es dann, wenn wir nicht zwischen Soziokultur und Hochkultur unterscheiden sondern stattdessen einfach zusammenarbeiten würden? Es ist, und davon bin ich überzeugt, eine Kunst, mit Menschen kreativ in Kontakt zu kommen, vernünftig mit der daraus resultierenden Verantwortung umzugehen, eine besondere Begegnung zu erschaffen. Ich nenne das inzwischen nicht Tiefkultur, sondern Begegnungsdesign. Klingt besser, mehr nach bewilligtem Förderbescheid.

Zwischen den Zeilen, das kann ich wohl nicht leugnen, scheint hier eine beleidigte Leberwurst durch, die auf den Begriff der Soziokultur einprügelt, weil es eben auch nicht immer leicht ist, hier eingeordnet zu werden. Weil ich mit meinen Projekten nicht als bunte und lustige Pädagogik wahrgenommen werden möchte, sondern als Künstlerin. Werde ich das nicht? Es gibt da noch einen Aspekt, über den keiner spricht: Soziokultur erhält keine schlechten Kritiken.

Aha, da kann man schonmal sauer werden! Und zwar von beiden Seiten!

Jede_r Künstler_in hat schon Verrisse kassiert, und das ist nicht immer fair. Die sehbehinderten Aquarellmusikant_innen aus dem Plattenbaustadtteil können hingegen den größten Unsinn dichten – die Lokalzeitung wird sich freundlich äußern. Und das muss aufhören. Wenn ich ernst genommen werden will, dann muss ich mich auch Kritik stellen. Selbst wenn die Redakteurin keine Ahnung hat, wie sie die Kindergruppe „nett“ kritisieren soll, wenn der Redakteur nicht zwischen Konzept, Projektleitung und Kindergruppe unterscheiden kann. Sogar wenn der Text ungerechtfertigt, unfair oder schlampig geschrieben ist. Denn ab da wird mir zugetraut, damit fertig zu werden. Ab da bin ich kein einbeiniges Ballettmädchen mehr, das mit dem Fotografieren der Umwelttheatergruppe betraut wurde. Sondern ein Mensch, der sein Bestes gibt. Über alles, was weniger ist, mag ich hier gar nicht geschrieben haben.

Also: Her mit eurer Kritik an diesem möglicherweise ungerechtfertigten, unfairen oder schlampig geschriebenen Text! Danke.

Flamingos

Heute sah ich dieses Schaufenster eines Bestattungsinstituts. Damit ist es passiert: Die Flamingos sind durch. Es sind nun sozusagen die Junggesellenabschiede unter den Tieren geworden.

Warum ich darüber nachdenke? Weil die Flamingos mich in den letzten 13 Jahren ins Theaterleben begleitet, manchmal lästig an mir gehangen, manchmal liebevoll mit mir geschnäbelt haben. Das begann sehr einfach: 2004 entwickelte ich zusammen mit Silvia Voigt unsere erste Inszenierung, „Die kahle Sängerin“. Ein Meilenstein für mich – unverhofft war ich ins Projekt gerutscht, niemals hätte ich mir vorher träumen lassen, dass ich sowas können könnte. Ideen haben. Ein Bühnenbild gestalten. Leute anleiten. Und dann klappte das alles, und sogar sehr gut! Und als ich, völlig berauscht und ausgepowert den ersten Abendzettel meines Lebens schrieb, setzte ich spontan darunter: „Jeder 1000. Besucher bekommt einen Flamingo geschenkt.“

Wir hatten dann vielleicht so 250 Zuschauer_innen, das Federvieh blieb also sicher vor uns. Doch der Flamingo blieb an mir kleben. Inzwischen besitze ich Kleidungsstücke, Schmuck, Kugelschreiber, Filme, Kochrezepte und und und – gerade an meinen Geburtstagen wird meine Timeline auf Facebook zuverlässig pink. Und seit Flamingos auch offiziell hip sind, geraten manche Menschen in meinem Umfeld geradezu in Stress ob der Möglichkeiten.

Das wäre nicht nötig. Der Flamingo steht für mich für die wunderbare Erfahrung, etwas auszuprobieren und zu gewinnen: Das Wissen darum, dass ich kreativ arbeiten will und auch kann. Und er steht für meine Freundschaften, die sich ganz unterschiedlich entwickelt haben und die mir geholfen haben, mich selbst weiterzuentwickeln.

Diese Freundschaften sind inzwischen größtenteils reine Freundschaften und keine Arbeitsbeziehungen mehr. Die lustigen Ideen und das Theater feiern wir aber immer noch: Im Flamingogeschwader 63, einer Show, die nun auch schon seit 5 Jahren läuft und sich einer äußerst fröhlichen Fangemeinde erfreut. (Gibt’s auch auf youtube!)

Mein Lieblingstier ist der Flamingo deshalb nicht. Klar, er sieht schon besonders aus, aber bitte, man schaue sich bloß mal einen Igel an – auch ein ganz schön schräges Erscheinungsbild, oder?

Wenn ich also irgendwann Mal sterbe, dann packt mir einfach einen Igel auf’s Grab. Oder gleich  ein paar Regenwürmer. Das macht auch mehr Sinn. Bis dahin: Viele Grüße von meinem Lieblingsflamingo Florian!

 

12 von 12 – mit Regen und ohne Zwischenspeicherung

Alle im Internet kennen #12von12, oder? Man dokumentiert am 12. eines Monats seinen Tag mit 12 Bildern und teilt diese – das machen inzwischen unheimlich viele Menschen. Die Tage der anderen findet ihr hier bei Draußen nur Kännchen. Ein bisschen komisch fühlt es sich für mich schon an, meinen Alltag öffentlich zu teilen – aber was wäre das Leben ohne Alltag? Da habe ich sogar mal ein Projekt drüber gemacht, „Spiel und Brote“. Langer Rede kurzer Sinn: Hier die Dokumentation eines wahnsinnig produktiven Tags in Elternteilzeit.

Erwachsene Frauen, Mütter gar, sind ja die Organisationstalente der Gesellschaft. Aus diesem Grund habe ich keine Milch mehr, das Brot ist hart, das letzte bisschen Obst kriegt das Kind und mein Frühstückstisch zeigt nur seine hässlich gemusterte Plastikoberfläche.

Nicht schlimm, denn noch regnet es nicht, und deshalb geht es gleich nach draußen! Wir haben nämlich einzukaufen – für ein großes Familienfest, zu dem wir morgen fahren. Na, wie alt die Jubilarin wohl wird?

Draußen laufen wir gleich mal über „meine“ Brache hinterm Bayrischen Bahnhof – wenn die dann bald platt gemacht wird, wird das eine empfindliche Veränderung meines sommerlichen Speiseplans darstellen. Nächste Woche sind die Brombeeren reif… Ich sehe eine Baisertorte mit kühler Schlagsahne und gerösteten Haselnüssen.

Und ein Konzept für ein Brachenprojekt reift im Gehen auch schön langsam in meinem Hinterkopf. Werde ich zu gegebener Zeit sicher hier noch beschreiben.

Und dann wird eingekauft, alles nach Hause geschleppt und das Kind versorgt. Dabei höre ich immer Deutschlandfunk Kultur, dann habe ich das Gefühl, noch was mitzukriegen von der Welt.

Inzwischen hat der Wetterwahnsinn begonnen. Und meine Arbeitszeit. Mein Arbeitsplatz allerdings… Ich erspare mir das Foto und zeige stattdessen stilvoll das Überblendungsbild aus dem Filmschnittordner.

Und mache mich auf zu meiner Kollegin Katharina Wessel. Sie hat ein aufgeräumtes Arbeitszimmer und wir müssen sowieso beide Bienenland-Anträge bearbeiten – sie den Sachbericht, ich den nächsten Antrag. Der Weg dorthin ist allerdings eher ein Unterwasserabenteuer.

Nun folgen 2 Stunden konzentrierte Arbeit. Kein Kind zupft an meiner nassen Strumpfhose, nur dann und wann eine Rückfrage an den Nachbartisch – klappt prima. Und sogar eine Rechnung kann ich fertig machen, das erfreut einen doch immer. Leider ist die Online-Datenbank in der ich am Antrag schreibe so mittel. Als ist meine Arbeit unterbreche gelingt die Zwischenspeicherung nicht – alles weg. Zum Glück habe ich das Wichtigste separat gesichert. Trotzdem ätzend. Fertig werde ich heute nicht.

Wir besprechen noch einige Pläne und Ideen, dann mache ich mich auf, kaufe ein, komme nach Hause und werde sofort vom Kind „übernommen“ – stillen, essen machen, spielen und und und. So langsam spüre ich, dass ich heute noch keine Pause hatte. Draußen tobt ein Sturm, drinnen werden Bauklötze geworfen, und die Geißel Gottes in Form dieses supermegahypernervig singenden Fischs probt die Zerstörung der Welt. Ehrlich!

7389 Stunden später: Kind schläft. Endlich. Ich packe unsere Tasche für das lange Wochenende mit Familienfest, das ansteht. Nähe noch ein paar Girlanden. Möchte diesen Artikel schreiben…

…und da weint mein Kind. Laut. Heute Abend darf ich mich nicht mehr lange entfernen. Und so werden es nur 10 Bilder und ein verspäteter Artikel. Jetzt geht es ins lange Familienwochenende. Nur eins muss ich noch loswerden:

Elternteilzeit ist ja sooo produktiv!

Methodensammlung: Der Richtigmacher

Es ist schon eine Weile her, da regte eine Kollegin an, dass ich doch meine selbst entwickelten Methoden mal verschriftlichen und zugänglich machen solle. Ich finde es grundsätzlich schwierig, abzuschätzen, ob ich meine Arbeitsweisen erfunden oder abgewandelt oder abgeguckt habe, denn letztendlich ist immer alles im Fluss. Mit diesem Hinweis versehen lasse ich mir aber gerne in die Karten gucken. Wie zum Beispiel bei dieser Methode:

Name: Die Richtigmacherin oder Der Richtigmacher

Kern der Sache: Man sammelt eine gewaltige Masse an Dingen, die man richtig machen kann und erschafft eine Figur, die all das in sich vereint.

Ziel: Ich habe mich mit den Ansprüchen, die andere Menschen oder auch ich selbst an mich stelle/n auseinandergesetzt und eine Haltung dazu entwickelt.

Vorgehen: Die Richtigmacherin kann gut mit Excel umgehen. Bei ihr ist es immer sauber. Sie bastelt perfekte Geburtstagsgeschenke. Usw. – Alle Idee, was man so richtig machen könnte, werden notiert: Zum Beispiel auf Post-Its, aus denen am Ende ein Mensch geklebt wird: Eben die Richtigmacherin. Je größer und absurder die Sammlung wird, desto größer und beeindruckender wird auch das Bild. Man erfährt auf diesem Wege auch viel über die Prioritäten im eigenen Alltag: Fallen mir zuerst schulische Ansprüche ein? Dinge die bestimmte Menschen von mir erwarten? Spielen soziale Ansprüche eine große Rolle, oder eher finanzielle? Am Ende steht meist ein ungläubiges Lachen, denn die Sammlung mag zu vielem führen, nicht aber zu einem realistischen Menschenbild.

Abwandlungen: Was angefertigt wird und welche Materialien verwendet werden kann endlos variieren. Man kann an eine Tafel schreiben, man kann ein sehr dickes Bilderbuch anfertigen oder ein Plakat malen, auf dem das Bild des Richtigmachers aus vielen klein geschriebenen Sätzen besteht. Wichtig ist nur, dass eine Masse an Sätzen zustande kommt.

Hintergrund: Entwickelt habe ich diese Idee als Methode, Abstand zu Leistungsansprüchen zu entwickeln – denn gerade Schüler_innen scheinen mir oft völlig absurde Ideen davon zu haben, was sie eigentlich schaffen sollten. Am Ende war uns der Richtigmacher dann in der Regel nicht besonders sympathisch: Es ist ein unlustiger Roboter.