Links vom, ähem, hüstel, Februar

Die Internet-Zeit bleibt knapp, vor allem, seit mein Kind zum Laptop-Jäger geworden ist. Dennoch: Hier ein paar Links der letzten Wochen:

Jedes Jahr gibt es rund um den 13. Februar unschöne Bilder aus Dresden – die Erinnerung an die Bombardierung der Stadt wird von allerlei Mythen begleitet und von rechten Gruppen missbraucht. Deshalb bin ich einmal mehr stolz auf meinen Bruder, der als Historiker für das ZDF gearbeitet und in einem Live-Video fragen dazu beantwortet hat. So könnte auch Geschichtsunterricht in Schulen zu solchen Themen aussehen! Das Video könnt ihr nachträglich hier anschauen.

Ziemlich häufig werde ich von Bekannten zu Details der Freiberuflichkeit befragt – eine etwas offiziellere Beratung könnt ihr bei mediafon erhalten. Übrigens endlich mal ein Projekt, wo die Probleme mit der Umsatzsteuer vernünftig erklärt werden; die meisten Interessenverbände gehen darauf gar nicht ein, weil wir Künstler*innen in der Regel sowieso nicht genug verdienen. Wer das verändern will, muss sich aber mit der Umsatzsteuer befassen!

Seit ich in Elternzeit bin, höre ich täglich stundenlang DeutschlandRadio Kultur – sehr mag ich hier die Serie „Wurfsendung“. Zu dieser gibt es jetzt einen Kurzfilmwettbewerb, und ich bin schon gespannt, was da zu sehen sein wird!

Und zu guter letzt: Letzte Woche durfte ich auf kleinerdrei über meine Erfahrungen mit der Arbeitsteilung in unserer Familie schreiben. Das viele gute Feedback auf den Artikel hat mich sehr gefreut und angespornt, öfter mal was zu schreiben. Danke!

 

Schule & Lernen. Ein ungleiches Paar.

@anorakkapuze wies mich unlängst auf diesen Tweet hin – ich sei Pädagogin, was ich also dazu sagen würde:

Puh, dachte ich, sagte ich. Dafür brauche ich ein wenig länger. Bloggen? Bloggen.

Zunächst einmal hätte ich als Schülerin überhaupt keine Lust gehabt, diesen Text auch nur zu lesen, er hätte mich tierisch genervt, evtl. (je nach Alter) beschämt, vielleicht hätte ich ihn als demütigend empfunden. Möglicherweise hätte ich mich auch gefreut, so einfach davonzukommen. Noch etwa 200 weitere Reaktionen sind denkbar.

Zum anderen ist es immer leicht, auf den Lehrkräften herumzuhacken, und in die Falle will ich nun auch nicht gleich mit Anlauf reinspringen. Wenn es Teil des Berufs ist, 30 Kinder dazu zu bringen, an ihre Hefte zu denken – hier endet meine Vorstellungskraft.

Spannend finde ich nun allerdings die Frage, die doch eigentlich in einer Schule Vorrang haben sollte: Was wird gelernt?

Vermutlich, dass ich weniger Stress habe, wenn ich an mein Heft denke, respektive: weniger Schuld, Scham, Ärger, Langeweile. Dass ich mich unter die Regel unterordnen sollte, dass das Mitbringen des Hefts meine Pflicht ist. Und dass ich mich der betreffenden Lehrkraft, die diese Regel hier verkörpert unterordnen sollte.

Nun bin ich in einer Hinsicht eine hoffnungslos faszinierte Person: Fasziniert vom menschlichen Gehirn und Körper, die so hingebungsvoll und genau alles speichern und lernen, was für das Leben des Organsimus relevant ist. Ich beobachte das gerade an meinem Kind: Wie es lernt zu klatschen, zu stehen, Laute zu bilden – alles Dinge, die ihm relevant erscheinen, um mit der Welt in Kontakt zu treten und sie zu erforschen. Lernen bedeutet hier ein ganz unmittelbares Bedürfnis, am Leben teilzunehmen. Das muss ihm keiner „aufgeben“. Wenn das später in der Schule nicht so praktiziert wird, dann wird es dadurch erst möglich, etwas zu vergessen.

Um das zu verdeutlichen: Lehne dich zurück und denke mal kurz darüber nach, wann du zuletzt etwas vergessen hast, was für dich persönlich oder existentiell wichtig war? Mir fällt da für mich nichts ein.

Klar, in meinem Kopf herrscht aktuell diese bräsige Eltern- und Stillzeit-Matsche: Gestern war ich fest davon überzeugt, es sei Dezember, ich habe den Pürierstab angeschmolzen und wie war das mit der Steuer..? Aber ich vergesse nicht, die Windeln zu waschen (Gestank, existentiell), auf welche Bücher ich mich freue, wenn ich wieder Freizeit habe (persönlich) und wie ich eine Mütze nähe (persönlich).

Nun wäre es einfach, sich zurückzulehnen und das Fazit zu ziehen, die Lehrkraft im obigen Fall verstehe es eben nicht, die Kinder für den Stoff zu begeistern. Oder sie dazu zu bringen, sie zu respektieren, denn auch damit hat eine gute Vorbereitung zu tun. (Und diese Vorbereitung ist verdammt nochmal die, das olle Heft einzustecken!)

Dieses Fazit finde ich unfair. Die Lehrkraft hat innerhalb des existierenden Systems „Schule“ einen Weg der Bestrafung gewählt, der letztendlich dieses System außerordentlich gut reflektiert – ohne allerdings daraus die Konsequenz zu ziehen, mit den Kindern das System selbst in Frage zu stellen. Sie benutzt den Text sozusagen „systemstabilisierend“. Wer das System gut findet, muss sich nicht grundsätzlich aufregen.

Mein Problem mit dem System Schule – natürlich habe ich eins – ist eben diese Entkopplung von Lerninteresse und Lernbegriff. So funktionieren wir nicht. Fähigkeiten und Wissen, die wir konkret brauchen, eignen wir uns verblüffend schnell an. Menschen, die wir aufrichtig gern haben, hören wir zu. Dinge, die uns wichtig erscheinen, vergessen wir nicht.

Abschließend eine kleine Anekdote: Vor einigen Jahren arbeitete ich mit einem etwa 15-jährigen Schüler. So wie ich es erlebte, schienen sämtliche Lehrkräfte, seine Eltern und er selbst der Meinung zu sein, dass er „nicht gerne lerne“. Die Noten waren dementsprechend. Er erzählte mir dazu, dass sein Vater ihm nach einer schlechten Note immer das Internet sperre. Ich fragte ihn, was er dann mache? Die Antwort war lässig: „Na ich konfiguriere den Router neu.“ First things first.

Es heißt, man lerne nicht für die Schule, sondern für’s Leben. Für das Gehirn gilt das. Für die Schule leider nicht.

 

 

Links vom Januar

Hallo 2017!

So langsam beginne ich, meine Fühler wieder in Richtung Arbeit auszustrecken.

Und ich sammle Ideen. In der Elternzeit habe ich angefangen, eine ganze Menge Blogs zu entdecken. Und mich zugleich zu fragen, was ich mit diesem Blog noch so alles anfangen könnte. Vermutlich wird es sich schrittweise erweitern – und ich werde über alles schreiben, was die gute    Solveig van der Hoffmann interessiert. Dazu gehören auch Dinge, die ich woanders entdeckt habe, und vielleicht schaffe ich es ja, monatlich ein paar Links zusammenzufassen? Hier sind die vom Januar:

Vor einiger Zeit ging dieser offene Brief des Conne Islands durch die Presse. In vielerlei Hinsicht    kritikwürdig, aber allein damit wird man dem Thema nicht gerecht. Klar ist: Aufgrund äußerlicher Merkmale auf das Verhalten von Partygästen zu schließen, bedeutet einfach, auf der Grundlage von Vorurteilen und gegebenenfalls rassistisch zu handeln. Klar ist auch: Wer sexistisch übergriffig handelt, sollte eine deutliche Konsequenz spüren, aus einem Club definitiv rausfliegen. Da sind mir äußerliche Merkmale dann herzlich egal. Und dann bleibt da aber die Frage: Was unterscheidet denn einen weißen übergriffigen jungen Mann, aufgewachsen in Leipzig-Wahren, von einem gleichaltrigen Geflüchteten? Möglicherweise die Erfahrung, überhaupt über Sex zu sprechen, Antworten auf Fragen und ein Feedback zu eigenen Strategien zu erhalten. Möglicherweise auch einfach das Wissen aus dem hiesigen Lehrplan, das zwar auch an vielen Schülern nur vorbeirattert, während sie über die Banane und das Kondom kichern, aber immerhin. Diesen Artikel dazu fand ich sehr ehrlich: Worüber ich rede, wenn ich über Sex rede. Vielleicht wären ja regelmäßige sexualpädagogische Workshops im Conne Island ein echter Gewinn für Club und Stadt?

(Übrigens habe ich den Link nach dem Lesen nicht sofort gespeichert und musste lange googlen, bis ich ich wieder fündig wurde. Die erfolgsgekrönte  Suchanfrage lautete: „die am lautesten ficki-ficki schreien, bringen später blumen“. Die einzige Suchanfrage ohne „besorgte Bürger“. Das nur am Rande.)

Und nochmal Migranten: Diese gründen häufig Unternehmen, werden aber vielfach schlecht unterstützt. #kopftisch

Leipziger Kulturpolitik: Am 1. Februar wird ein Antrag in den Stadtrat eingebracht, bei dem es darum geht, einen bestimmten prozentualen Anteil des Kulturetats der freien Szene für die Projektförderung zu reservieren – in Abgrenzung zur institutionellen Förderung. Gut gemeint, allerdings ist die Unterscheidung von Projekt- und institutioneller Förderung aktuell dermaßen undurchsichtig, die Statistik dermaßen verfälscht und so wenig aussagekräftig, dass der Antrag in der jetzigen Form keinen Sinn macht. So werden z.B. Institutionen gefördert, die einen Großteil der Förderung an Projekte weitergegeben werden; und das eine oder andere „Projekt“ erhält Jahr um Jahr dieselbe Förderung, die letztendlich die Institution unterstützen dürfte. Wer sich den Antrag anschauen möchte, der kann das hier tun.

Das neue Jahr beginnt, wie es geendet hat – z.B. mit einer mal wieder unsäglichen Rede von Björn Höcke, der vielen nun einmal mehr die Timelines und den Glauben an die wirkliche Welt versaut. Wie mit seinen Äußerungen und den sich anschließenden Diskussionen mit Kolleg*innen, Familie etc. umgehen? Eine Argumentationshilfe bietet dieses Projekt, das ich nicht nur empfehle, weil mein Bruder dahintersteckt, sondern auch, weil es wirklich praktisch gedacht ist. Von Historiker*innen zusammengestellte Fakten auf wenigen Zeilen. Bäm, Kommentarspalten!

Und zum Abschluss noch was Feines: Schöne Desktophintergründe!

 

 

2016

…ist fast geschafft.

Für mich hielt es eine wichtige Lektion bereit: Du kannst viel planen – aber dein Leben kann alle Pläne wieder einkassieren. Wenn die Gesundheit nicht mitspielt, dann machst du keine Kulturpolitik, kommst nicht mehr ins Bienenland und meldest dich nicht mehr bei deinen Kolleg*innen. Und wenn es dann besser geht, dann sortierst du, was wie wichtig ist, und fängst von vorne an.

Und noch etwas habe ich gelernt, und zwar von meinem wunderbaren kleinen Sohn: Du kannst ganz viel wollen und schreien und kämpfen und dir den Kopf stoßen, um es zu erreichen – und doch innen drin ganz weich bleiben. Und das ist wunderschön.

Also hoffe ich, dass dieses stürmische Jahr nun ruhig zuende geht, dass Paul MacCartney den morgigen Tag überlebt, und dass auf uns alle ein friedlicheres 2017 wartet. Und schließe mit einem Lied, dass mich an den Sommer erinnert, und an ein paar sehr euphorische Momente. Macht’s gut!

gut sein/gut sein lassen

Ich persönlich interessiere mich nicht so für Terrorismus.

Klar, es könnte passieren, dass ich einem Anschlag zum Opfer falle. Oder dass ich von einem Auto erwischt werde. Dass mir der Himmel auf den Kopf fällt. Dann ist es passiert. Jeden Tag angstvoll den Himmel anstarren werde ich deshalb nicht.

Eine gute Woche liegt der Anschlag vor Berlin nun zurück, inzwischen wurde Weihnachten gefeiert, ich habe gut gegessen, wurde viel zu reich beschenkt und bin einigermaßen über die Ermittlungen und zahlreiche neue (?), gute (??), sehr wichtige (???) Ideen der großen Parteien informiert. Aber das Thema Terrorismus interessiert mich immernoch nicht. Und ich habe auch keine Lust, mich über einen Nachrichtenstrudel dort hineinzusteigern.

Was mich interessiert, das ist Gewalt, in all ihren Ausprägungen – persönlich, gesellschaftlich, zwischen verschiedenen Gruppen, gegenüber einzelnen Menschen. Was mich vor allem interessiert, ist Empathielosigkeit. Das Fehlen der Fähigkeit, mitzufühlen, einen anderen Standpunkt zu erkunden und anzuerkennen, des Wunsches, mit dem Gegenüber fair und anständig umzugehen. Denn in erster Linie ist doch nur eins klar: Dass mir die Opfer und die Angehörigen der Opfer aller terroristischen Anschläge, aber auch anderer Gewalttaten (ob nun kriegerisch oder strukturell oder sonstwie) einfach leid tun. Dass ich das keinem wünsche. Und dass ich ihnen jede Hilfe gönne.

Und so einfach darf es scheinbar nicht sein. Jede neue Nachricht in Verbindung mit dem Berliner Anschlag ist verbunden mit dem Krieg der Timelines. Jede*r findet Fakten, die das eigene Weltbild bestätigen. An den Anschlag in XY denkt wieder niemand – Warum war der Täter noch nicht abgeschoben? – Aber radikalisiert hat er sich doch in Italien – und und und. Manche Meinungen stehen mir näher, manche finde ich persönlich ganz schrecklich. In der Gesamtheit erinnert mich das alles an erbitterte Streitereinen unter Pubertierenden, die letztendlich doch nur ihre eigene Persönlichkeit verteidigen. Leider um den Preis eines politischen Dialogs, der mittlerweile, mit Verlaub, unter aller Sau abläuft.

Ich weiß nicht, ob ich das kann, aber ich möchte gerne: an das Gute im Menschen glauben. Glauben, dass auch jemand mit völlig entgegengesetzten Positionen es grundsätzlich gut mit den Menschen meint. Oder wenigstens mal gemeint hat. (Ich weiß, das ist hart.) Dass ein großes Stück mehr Offenheit und Dialog uns aus dieser quälenden Rechthaberei befreien könnte, die unsere Gesellschaft befallen hat und seither vom Stammtisch übers Fernsehen und Internet in alle Bereiche des Lebens zu wuchern scheint.

Es ist sehr gefährlich, sich selbst für einen guten Menschen zu halten. Es trübt den Blick für die eigenen Schwächen.Vielleicht sollten wir es damit einfach mal gut sein lassen.

Ich vermisse. Nicht.

Neulich hörte ich mich sagen:

„Ehrlich gesagt vermisse ich meine Arbeit null.“

Und dann war ich einen Moment ganz still, weil mich dieser Satz selbst so überraschte.

Ich gehöre definitiv zu den Selbstverwirklicherinnen, die in ihrer Arbeit immer Sinn, persönliche Entwicklung und Bestätigung gesucht haben. Anders kann ich die Arbeit als Freiberuflerin auch nicht vor mir rechtfertigen, verstößt sie doch gegen eine ganze Menge soziale Standards, die ich eigentlich eingehalten wissen möchte. Und tatsächlich gehören zu meiner Arbeit einige Projekte, die mir all das gegeben haben.

Und natürlich weiß ich noch nicht, wie sich die Elternzeit in drei Monaten anfühlen wird. Und denke auch manchmal mit Schrecken daran, wie ich mein Arbeitsleben ab 2017 organisieren soll, wie schwierig das Zeitmanagement wird, und was ich alles so bald nicht wieder werde machen können.

Vor Jahren las ich Bascha Mikas Buch „Die Feigheit der Frauen“, las vom Vorschieben des Privatlebens, vom Hintenanstellen der Karierre vieler Frauen, und es erschien mir sehr einleuchtend. Mir würde das nicht passieren, ich würde meine beruflichen Interessen nicht hinter meinen privaten einordnen!

Schon lange weiß ich, dass ich so nicht bin, und mein Kind bestätigt mich darin einmal mehr. Und mehr noch: Ich finde, dass Bascha Mika einen wichtigen Punkt verdreht, oder besser: Einen verdrehten Punkt nicht zurückdreht (Kann man einen Punkt überhaupt verdrehen? Egal, Punkt vor Strich, mit einem Flachwitz aus der Affäre gezogen.)

Möglicherweise liegt der Fehler vieler Frauen nicht darin, ihr berufliches Streben dem Privatleben unterzuordnen, sondern vielmehr darin, nicht wütend zu thematisieren, dass das Privatleben offenbar untergeordnet werden soll, wenn sie Erfolg haben wollen. Und wieso zum Teufel sollte sich irgendjemand zwischen Beruflichem und Privatem entscheiden WOLLEN? Männer wie Frauen wollen wohl beides?

Und ich genieße jetzt eben mal mein Privatleben:
Ich habe seit Monaten nicht mehr gedoodlet.
Die Rede von Carolin Emcke habe ich nicht hastig in einzelnen Zitaten überflogen, sondern ganz gehört.
Und ich bin jeden Tag im Hellen draußen.

Und dann habe ich auch noch ein Kind, und das ist sehr unterhaltsam.

So. Es ist 20:19 Uhr. Wer heute „noch was machen muss“, darf mich jetzt eine Runde beneiden.

Hausfrau und Mutter. WTF.

Telefonat mit meinem Vater.
„Und du bist jetzt also Hausfrau und Mutter…“
Ich stammele etwas von wegen Elternzeit und eher wenig putzen und versuchen, viel auszuruhen, weil ein Baby ganz schön anstrengend ist.
Mannomann.

Aber es stimmt natürlich: In den letzten Monaten habe ich hier nichts veröffentlicht, weil sich mein Lebensmittelpunkt weit verlagert hat. Ich arbeite hart. Aber nicht in meinem Beruf.

Ein Aspekt der Elternzeit, über den eher selten gesprochen wird, ist allerdings beruflich und persönlich sehr schön: Ich gewinne Abstand zu meinem früheren Alltag. Meine Arbeit scheint mir eine Zwiebel zu sein, und zwar eine, die schon ein Weilchen in einer dunklen Ecke der Küche rumliegt (Elternzeit, keine Haushaltszeit…). Mit jedem Tag blättern gefühlt einige vertrocknete Schichten ab: Was bin ich gerannt, was habe ich alles gemacht, für die paar Kröten… und was davon war mir wirklich so wichtig? Erschien mir sinnvoll? Hat mir Spaß gemacht? Und was könnte ich noch alles machen, wozu ich nie gekommen bin?

Wie möchte ich irgendwann mal gelebt und gearbeitet haben?

Denn wie das Känguru so schön bemerkte: Ich habe noch nie von einem Menschen gehört, der auf dem Sterbebett gesagt hätte „Ich wünschte, ich hätte mehr gearbeitet“.

Ich denke also nach. Anstatt Hausfrau zu sein. Mal sehen, wo das hinführt.

Kleine Theaterbeschimpfung

Die Kulturfritzen – Projektbüro für kulturelle Angelegenheiten im sozialen Netz – haben unter #theaterimnetz zur Blogparade aufgerufen, und kurz vor Schluss habe ich es auch mitbekommen; schon allein das zeigt, wie schlecht vernetzt die Theaterszene vor allem auf Twitter ist. Nun denn, die Diskussion, die ich hier nachlesen konnte, hat mich gleich beschäftigt, hier also mein Beitrag inklusive kleiner Theaterbeschimpfung.

Ich bin weiß, Akademikerin und lebe in der Stadt. Von klein auf sind meine Eltern mit mir ins Theater gegangen, haben Konzerte mit mir besucht und mich zu Kunstkursen angemeldet. Letztendlich bin ich selbst in einem Theaterberuf gelandet. Und noch nicht einmal ich interessiere mich für das, was ich in der Regel auf den offiziellen Theateraccounts lesen kann.

Was mich weitaus mehr interessiert, sind die Theatermenschen, mit denen ich über soziale Netzwerke in Kontakt treten und bleiben kann. Hier höre ich Geschichten, hier werden Erfahrungen geteilt und Meinungen gepostet. Hier findet auch Interaktion statt. Ein Beispiel: Shermin Langhoff äußert sich auf Facebook oftmals politisch und macht deutlich, dass das, was sie da postet, ihr auch wirklich wichtig ist. Viel spannender, als eine Spielplaninformation oder ein Foto von niedlichen Kindern im Weihnachtsmärchen, die nicht ahnen, dass sie gerade ein Marketingkonzept darstellen.

Soviel zu meinem persönlichen Zugang zum Thema. Ich bin aber nicht unbedingt repräsentativ für eine Masse. Klar, im Internet findet jede_r eine Nische, aber kann es eigentlich das Ziel kultureller Arbeit sein, eine Nische für weiße Akademiker_innen zu bilden? Oder anders gefragt: Zeigt sich online nicht einfach nur ein weiteres Mal, wer auch offline NICHT kommt?

Es reicht nicht, eine Dramaturgin, die noch zahlreiche andere Aufgaben hat, dazu zu verdonnern, dreimal pro Woche etwas zu posten. Gerade die Kulturinstitutionen und Theaterschaffenden müssen sich auch dazu befragen, mit wem sie überhaupt reden wollen. Offline, online, vor allem aber direkt und aufrichtig interessiert. Und wenn man sich dafür entscheidet, in einer elitären Nische zu bleiben, dann erreicht man vermutlich eben einfach keine hohen Followerzahlen. Auch das kann eine Entscheidung sein.

Es geht nicht um den Kontakt von Theater und digitaler Welt. Sondern ganz schlicht um: Theater und Welt.

Und deshalb greift auch die Frage nach neuen Konzepten für Digitales in den Inszenierungen/im Theaterraum m.E. zu kurz. Klar, da kann man noch viel machen. Ich arbeite selbst „teilberuflich“ als Autorin für transmediales Erzählen, insofern bin ich mir sicher, dass hier noch viel möglich ist und dass man alles ausprobieren sollte.

Das wird dann interessant – zumindest für mich. Aber es wird nicht reichen. Was ich mir wirklich wünsche, das ist ein viel weiterer Theaterbegriff, als ich ihn in vielen Debatten wahrnehmen kann. Ich wünsche mir neue Formen, veränderte Formen, uralte Formen, die in erster Linie darauf zielen, auf irgendeine Weise zu kommunizieren – und nicht nur mit denen, die ich schon kenne. Es geht nicht nur darum, zu lernen, online zu kommunizieren, auch offline müssen wir uns da immer wieder überdenken! Klar, ich persönlich schaue mir auch mal gerne eine Drameninszenierung an. Meine gesellschaftlichen Sehnsüchte und meine Neugierde befriedigt diese aber nur selten. Und ich bin mir sicher: Das hergebrachte Bühnengeschehen, wie ich es seit Schulzeiten kennengelernt habe, ist nur ein kleiner Teil der Theatergeschichte, der Theaterwelt. Und sehr viele Menschen interessieren sich – folgerichtig – überhaupt nicht dafür.

Deshalb folgt hier wie angekündigt die kleine Theaterbeschimpfung:

Theater, kriegt eure Aersche hoch und kommuniziert mit den Menschen, denen ihr am Arsch vorbei geht! Offline, online und überall dazwischen.

 

PS: In diesem Text habe ich nur vage angedeutet, was ich selbst beruflich mache. Vermutlich würden viele Kolleg_innen fragen: Ist das ein Theaterberuf? Ist das hier überhaupt ein Theaterblog? Manchmal nenne ich Dinge, die ich tue, einfach „Begegnungsdesign“. Ist das für euch Theater? Wie seht ihr das? Ich freue mich über Diskussionen.

Endlich: NETZWERKTREFFEN KUNST, KULTUR UND INTEGRATION

Es gibt in Leipzig (inzwischen) viele viele Künstler_innen und Kulturpädagog_innen, die sich mit Geflüchteten beschäftigen oder dies angesichts der aktuellen Debatte planen. Ideen und Anträge purzeln sozusagen um die Wette, und oft erfährt man erst viel zu spät von den Erfahrungen und Möglichkeiten des anderen. Gefühlt treffe ich seit ca. einem Jahr fast wöchentlich einen engagierten Menschen, der mir erzählt, jetzt mal eine Plattform zu schaffen/ein Treffen zu organisieren, bei dem „das alles vernetzt wird“. Am besten auch noch mit all den anderen ehrenamtlichen Projekten, sozialen Hilfen und kirchlichen Angeboten. Eine durchschlagende Wirkung hat von diesen Menschen in meiner Wahrnehmung noch niemand erzielt, wobei ich ihr Engagement sehr respektiere: Der Bedarf ist da, und es ist keine leichte Aufgabe, eine unüberschaubare Zahl nicht oder sehr verschieden organisierter Menschen an einen Tisch zu bringen.

Nun hat das LOFFT zum NETZWERKTREFFEN KUNST, KULTUR UND INTEGRATION eingeladen – nach langer Überlegung, was man im eigenen Theater angesichts der Debatte um Geflüchtete wirklich tun könne. Dass so lange überlegt wurde und nicht Hals über Kopf ein gut gemeintes Projekt angezettelt wurde, ist mir sympathisch. Denn wie gesagt: Ein solches Netzwerktreffen war überfällig. Und Ehrenamtler_innen/einzelne Akteure haben nunmal nicht die Ressourcen so breit einzuladen, wie eine Institution. Insofern wurde auf einen reellen Bedarf eingegangen.

Das wurde auch insofern schnell sichtbar, als es wirklich voll war – ca. 70 Personen – und dass auch nach Ende der Veranstaltung noch lange geredet wurde. Zum Glück beschränkte sich das Arbeiten nicht auf eine 2-stündige Vorstellungsrunde; stattdessen wurde klar strukturiert zu bestimmten Themen diskutiert. Und so entstand, was bei einer ersten Veranstaltung dieser Art entstehen muss: Ein weiter Überblick über ganz verschiedene Themen und Fragen, etwa zu den Zielen und Motivationen der Kulturschaffenden sich mit Geflüchteten zu beschäftigen, oder auch zu den ganz realen Problemen, die dabei auftauchen. Vieles ging mir persönlich nicht tief genug, aber das liegt wohl in der Natur eines ersten Treffens. Schade auch, dass mir kaum Vertreter_innen der großen städtischen Kultureinrichtungen über den Weg liefen – schließlich hätten gerade diese die Ressourcen, größere Projekte anzugehen. Und überhaupt: Warum musste dieses überfällige Netzwerktreffen mit dem LOFFT überhaupt von einem Vertreter der freien Szene gestemmt werden? Wäre das nicht eine wunderbare Aufgabe für das Kulturamt gewesen, das doch ein Interesse daran haben muss, all die Inititativen zu vernetzen und selbst einen Überblick zu erhalten? Zumal ein Förderschwerpunkt für das Jahr 2016 doch Inklusion und Migration heißt…

Am Ende des Abends stand eine große Aufzählung von Themen, Problemen, Fragen und Ideen. Die meisten betrafen all die vielen Probleme, die in der Arbeit mit Geflüchteten immer wieder auftauchen und um die man nicht herumkommt; letztlich existentielle Fragen um Politik, aber auch Lebenssicherung, Umgang mit Sprachproblemen, mit Traumata. Praktische Probleme, die riesengroß sind.

Was nun meines Erachtens ganz dringend diskutiert werden muss: Was ist unsere Rolle als Kulturschaffende in diesem Wust aus Fragen und Problemen? Sollten wir jetzt die besseren Sozialarbeiter_innen werden und nur ab und an ein paar Malstifte rauslegen? Oder rigoros die Loop-Station rausholen, auch wenn keiner mitmachen will und die Interessen der Geflüchteten möglicherweise ganz woanders liegen? Was kann Kunst zu der Situation wie sie jetzt ist beitragen?

Und wie können wir den Geflüchteten selbst besser zuhören, sie einbeziehen, mit ihnen zusammenarbeiten?

Eine Antwort darauf ist mir übrigens 2 Tage später über den Weg gelaufen. Lama Souissey hat schon oft für mich übersetzt: Im Bienenland, in der GfZK, im privaten Kontakt. Sie übersetzt für wahnsinnig viele Menschen in Leipzig, aber – sie studiert auch Illustration an der HGB. In ihrem Buch „Abud. Der Friseur (ohne Ausbildung)“ hat sie einen sehr einfachen und wunderschönen Weg gefunden, aus all dem, was sie in der Torgauer Straße gehört hat, Kunst zu machen. Sie hat einfach erzählt, was ihr erzählt wurde und was sie gesehen hat. Auf ihre eigene, persönliche Weise.

Vielleicht sollten wir damit erstmal anfangen?

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